Nazis of Color
Spencer Sunshine and Isaac
Als Mauricio Garcia im Mai 2023 in einem Einkaufszentrum in Allen, Texas, acht Menschen tötete, schien die Tat nur ein weiterer sinnloser Massenmord zu sein, ähnlich wie die unzähligen Schießereien an Schulen. Doch als herauskam, dass er sich als Neonazi identifizierte, machte sich Empörung breit: Einen Latino so zu bezeichnen, war für viele einfach zu viel.
Dass eine Person of Color als Neonazi eine solches Shooting durchführt, war für antifaschistische Researcher jedoch weniger überraschend. Vor einigen Jahren wurde einer der Autoren mit einem Schwarzen Mann namens Mohammed Abdali bekannt gemacht. Obwohl sich ein Antifaschist mit tadellosen Referenzen für ihn verbürgt hatte, schien etwas mit ihm nicht zu stimmen. Bald darauf stellte sich heraus: Gabriel Diaz, so sein richtiger Name, war zuvor in die Schlagzeilen geraten, als er von seinem Job als Taxifahrer in New York City suspendiert wurde, weil er bei der Arbeit eine Hakenkreuz-Armbinde trug. Und dabei handelte es sich nicht „nur“ um Cosplay: Aus einem Fernsehinterview ging hervor, dass er sich mit nationalsozialistischer Ideologie auskannte. Und auch das war keine Marotte, denn es kam heraus, dass er für das National Socialist Movement (NSM), die damals größte Neonazi-Partei der USA, Antifaschist*innen bespitzelte.
Diaz ist nur einer von vielen Neonazis, die auch People of Color sind. Während Schwarze Neonazis selten sind, sind lateinamerikanische Neonazis im Vergleich dazu recht häufig. In Lateinamerika selbst wimmelt es von Neonazi-Gruppen, und das ist nur einer der vielen Orte auf der Welt, an denen sie zu finden sind.
Neonazismus gilt als die extremste Form der „White Supremacy“, der weißen Vorherrschaft, und strebt die Ausrottung nicht-weißer Menschen an. Deswegen scheinen PoCs, die gleichzeitig Neonazis sind kontraintuitiv, wenn nicht gar unsinnig. Aber die Geschichte des Nationalsozialismus ist weitaus komplexer, als viele denken, und die Geschichte der nicht-weißen Nationalsozialisten reicht fast ein Jahrhundert zurück.
„White Supremacy“ vs. Faschismus vs. Nazi vs. Neonazi vs. Nationalsozialist
Heutzutage malen viele die extreme Rechte mit einem zu breiten Pinsel und werfen mit Begriffen wie „Nazi“ und „White Supremacist“ um sich. Dies verschleiert mehr, als dass es erhellt, wie PoC Neonazis sein können. Um dies zu verstehen, müssen bestimmte Begriffe definiert werden, wie sie in diesem Artikel verwendet werden.
Der Begriff „White Supremacy“ (dt. „weiße Vorherrschaft“) bezieht sich im Allgemeinen auf ein breites Spektrum von Handlungen und Ideen, die eine Gesellschaft fördern oder aufrechterhalten sollen, in der Weiße dominieren. Dies schließt nicht nur die gesamte extreme Rechte ein, sondern kann auch das Verhalten der meisten weißen Menschen und einiger anderer umfassen. Beobachter*innen der extremen Rechten, verwenden den Begriff „White Supremacy“ jedoch in der Regel in einem engeren Sinne, um Akteure zu bezeichnen, die bewusst versuchen, die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Macht der Weißen in den USA zu erhalten oder zu vergrößern. Der radikalere Teil der White-Supremacist-Bewegung hofft, dies zu erreichen, indem er einen homogenen weißen Ethnostaat gründet, PoC ihre Rechte entzieht oder sie deportiert, versklavt oder einem Völkermord preisgibt.
Faschisten hingegen sind Teil einer Bewegung, die in den 1890er Jahren in Europa entstand und eine neue Art von revolutionärer rechter Politik darstellte, die antidemokratisch, antilinks und anti-egalitär war und in einer Zeit angeblicher Dekadenz und vermeintlichen Verfalls eine wiederbelebte Nation schaffen wollte. Innerhalb dieser Bewegung waren und sind jedoch einige ideologische Strömungen sehr unterschiedlich, und nicht alle Faschist*innen sind Nationalsozialist*innen (obwohl alle Nationalsozialist*innen Faschist*innen sind). So war Mussolinis Faschismus anfangs weder rassistisch noch antisemitisch, während Hitlers Nationalsozialismus immer beides war. „Nazis“ beziehen wir auf die ursprüngliche deutsche Partei Hitlers, „Neonazis“ auf ihre Nachkriegsformen, und „Nationalsozialist“ entweder auf beides gleichzeitig oder auf die Ideologie selbst.
Dies bedeutet, dass Nationalsozialist*innen und andere Faschist*innen nicht notwendigerweise die gleichen Handlungen ausführen, die gleichen Ansichten vertreten oder sich sogar als White Supremacists, wie wir sie heute kennen, identifizieren.
Wenn sich diese Untersuchung mit nicht-weißen Nationalsozialisten befasst, werden bestimmte Teile der extremen Rechten, wie Milizen oder „Alt-Lite“-Gruppen, die ausdrücklich PoC zulassen, ausgeklammert, auch wenn diese Gruppen üblicherweise als „White Supremacists“ bezeichnet werden. So sind beispielsweise der Anführer der Proud Boys, Enrique Tarrio, der Organisator von „Stop the Steal“, Ali Alexander, Joey Gibson von Patriot Prayer, Stewart Rhodes, Gründer der Oath Keepers, und George Zimmerman, der Trayvon Martin ermordet hat, ausgeschlossen. Keiner dieser Personen arbeitet bewusst auf weiße Vorherrschaft hin, selbst wenn Kritiker*innen ihre Politik als Unterstützung dessen ansehen. Einfach ausgedrückt sind sie politisch zu gemäßigt, um als echte Faschisten oder Neonazis zu gelten. Wir gehen auf Nationalesozialist*innen getrennt von anderen Faschist*innen ein, da es ideologische Unterschiede gibt, die vor allem dann wichtig werden, wenn es um die Beteiligung von People of Color geht.
Schließlich ist die Frage, welche weißen „White Supremacists“ als Neonazis bezeichnet werden, selbst für Expert*innen, die auf diese politischen Feinheiten achten, nicht so eindeutig, wie es scheint. Im Allgemeinen wird jeder „White Supremacist“, der nationalsozialistische oder neonazistische Bezüge (z. B. zu Hitler oder der SS) oder Bilder (wie Hakenkreuze oder schwarze Sonnen) verwendet, als Neonazi eingestuft. Diese „White Supremacists“ haben jedoch möglicherweise eine andere Kernideologie als den Nationalsozialismus und übernehmen lediglich bestimmte Teile davon. In ähnlicher Weise werden Mitglieder von „White Supremacist“-Gefängnisgangs sowie alle rassistischen Skinheads traditionell als Neonazis bezeichnet, auch wenn sie oft wenig, unscharf oder eine andere Ideologie haben. Die meisten Mitglieder von „Nazi-Gefängnisgangs“ sind über Tätowierungen hinaus nicht einmal politisch.
In dieser Studie werden dieselben Kriterien verwendet, die zur Kennzeichnung weißer Neonazis verwendet werden, wenn es sich um PoC handelt, d. h. entweder Selbstidentifikation oder Zugehörigkeit zu einer rechtsextremen Politik, und die Verwendung nationalsozialistische Referenzen und Bilder.
Verschiedene Arten von Neonazis of Color
Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Ansätze von People of Color, die sich als Neonazis bezeichnen, und diese wiederum ziehen unterschiedliche Reaktionen von ihren weißen Gesinnungsgenoss*innen nach sich.
Erstens können sich einige, die in den Vereinigten Staaten als People of Color gelten, tatsächlich als Weiße betrachten. Dies ist häufig bei Süderamerikaner*innen europäischer Abstammung der Fall, die sogar in Lateinamerika als weiß gelten können.
Andere wissen, dass sie nach US-amerikanischem Verständnis nicht weiß sind. In einigen Beispielen haben nicht-weiße Neonazis offenbar rassistisches Gedankengut aus der Kultur, in der sie aufgewachsen sind, so weit verinnerlicht, dass sie sich aktiv wünschen, weiß zu sein. In einem extremen Fall hatte ein junger Schwarzer seine Haut gebleicht, um sie heller zu machen, bevor er sich später einer Neonazi-Gruppe anschloss. Die Forscherin Meili Criezis wies auf einen Eintrag in den Online-Tagebüchern Garcias hin, in dem er beschrieb, dass er „Phasen des Selbsthasses durchlebt“. Als ein Freund ihn fragt: „Warum hasst du Hispanics? Bist du nicht selbst hispanisch?'“, schrieb er: „Ich habe einfach gesagt: ‚Ich hasse mich selbst.'“
Einige machen sich die Argumente der White Supremacists zu eigen, die entweder von „rassischer Überlegenheit“ oder einfach von „rassischem Separatismus“ sprechen. Diejenigen, die einen gemischten Hintergrund mit weißen Verwandten haben, können sich stark mit ihrer weißen Seite identifizieren, oder sie fühlen sich verwirrt über ihre Identität und sind bestrebt, diese zu festigen. Sie können sich auch als Neonazis sehen, müssen aber die Notwendigkeit umgehen, als weiß zu gelten, um in Ländern wie den USA mitmachen zu können. Diese Strategie setzt natürlich voraus, dass sie nicht auffliegen.
Scott Ernest war über ein Jahrzehnt lang Mitglied der White-Supremacist-Bewegung; drei Jahre davon war er Moderator im einflussreichen Neonazi-Diskussionsforums „Stormfront“. Er sagt, dass es für amerikanische White Supremacists üblich ist, Menschen zu tolerieren, die weiß aussehen, sich als weiß identifizieren und sich „weiß verhalten“ – eine Definition, die den Weg für PoC ebnet, die Neonazis werden wollen. Einige White Supremacists haben eine umfassendere Vorstellung davon, wer als weiß akzeptiert werden kann; dazu können auch ethnische Türken und Menschen aus Zentralasien gehören. Und insbesondere akzeptieren einige Neonazis Iraner*innen, hochkastige Inder*innen und Tibeter*innen als „Arier“.
Es gibt auch PoC, die sich als solche zu erkennen geben oder erkennbar sind, aber dennoch mit der Ideologie der Weißen Vorherrschaft und der Neonazis übereinstimmen. Natürlich werden sie von den Mitgliedern der weißen Bewegungen in den USA oft verschmäht oder denunziert, aber gelegentlich werden solche Personen in Gruppen aufgenommen. Es gibt viele Geschichten von weißen Neonazi-Skinheads in den USA, die andere Skins, die People of Color sind, akzeptieren.
Rocky Suhaydas „American Nazi Party“ erlaubt es PoC und Jüdinnen*Juden, sich mindestens als „Sympathizer“ zu registrieren; „Stormfront“ erlaubt die Teilnahme an öffentlichen Internetforen, obwohl Nicht-Weiße aus gechlossenen Foren entfernt werden, wenn sie ihre Herkunft verschleiern, aber später herausgefunden werden. Der Aussteiger Scott Ernest berichtet von einem „Schwarzen White Supremacist“, der angeblich nach Ghana zog, weil er der Meinung war, dass die Vereinigten Staaten rein weiß sein sollten. Der Amokläufer von Allen, Garcia, fällt offenbar in diese Kategorie, obwohl auch bekannt ist, dass er lateinamerikanische Neonazi-Gruppen kannte und Bilder von einigen in sozialen Medien postete.
Schließlich gibt es Neonazis, die offen als People of Color auftreten und Neonazi-Gruppen angehören, in denen ihre eigene Identität im Mittelpunkt ihrer Politik steht. Sie stellen ihre Identität eher zur Schau, als dass sie sie verbergen, und benötigen nicht die Erlaubnis weißer Nationalsozialist*innen – auch wenn einige scheinbar hoffen, von ihnen akzeptiert zu werden.
Es gibt auch Separatist*innen unterschiedlicher Couleur; einige befürworten die Aufteilung der USA in nach „Rassen“ segregierte Staaten oder die Schaffung ethnisch homogener Länder, die jeweils von Nationalsozialist*innen oder anderen Faschist*innen regiert werden. (Die überwiegende Mehrheit der weißen Rassist*innen hat den Traum von der direkten Weltherrschaft aufgegeben; die durch den Kolonialismus entstandenen Bindungen haben häufig zur Einwanderung aus ehemaligen Kolonien geführt). Ernest zufolge werden japanische Neonazis, die ein rassisch homogenes Japan anstreben, von weißen US-amerikanischen Neonazis am wohlwollendsten betrachtet.
Warum werden People of Color zu Neonazis?
Die Unterscheidung zwischen Nationalsozialist*innen und White Supremacists ist hier wichtig. Die Kategorie „weiß“ geht auf das 16. Jahrhundert zurück, aber das war nicht die Identität, an der die europäischen Faschist*innen vor dem Zweiten Weltkrieg interessiert waren. Hitlers Herrenrasse war die arische Rasse – aber Arier sind nicht dasselbe wie diejenigen, die heute als „weiß“ gelten. Der historische Nationalsozialismus schloss nicht nur Jüdinnen:Juden europäischer Abstammung aus, sondern auch Slawen – Russ*innen und andere Osteuropäe*innen wurden als Untermenschen betrachtet und waren oft Opfer von Kriegsverbrechen.
Im Übrigen gab es bereits vor dem Zweiten Weltkrieg Nationalsozialist*innen außerhalb Europas. Die meisten waren Deutsche (oder zumindest aus Europa) in Nord- und Südamerika. Aber die Nazis umwarben auch die arabische und muslimische Welt, und Einzelpersonen (und einige Gruppen) tauchten dort auf. Vor allem im Laufe des Krieges wurden verschiedene PoC in die deutsche Armee eingegliedert. Und eine sehr kleine Anzahl nicht-weißer Menschen und Menschen mit gemischtem jüdischen Hintergrund erhielten sogenannte „Besserstellungen“ und wurden umgangssprachlich als „Ehrenarier“ bezeichnet.
Für die amerikanischen Neonazis von heute sind die NSDAP, ihr Programm und ihre Politik eine Autorität, auf die sie sich berufen können, um ihre Positionen zu untermauern, so wie es die Schriften von Marx oder die Bibel für Marxisten und Christen tun. Wenn man also genau hinschaut, kann fast jede*r eine Rechtfertigung finden, ein Neonazi zu sein.
Die Neuinterpretation des Nationalsozialismus
In der Tat wurde die Herrenrasse des Nationalsozialismus erst in den 1960er Jahren und in den USA „weiß“. George Lincoln Rockwell von der „American Nazi Party“ wird diese Änderung zugeschrieben, die Teil seiner Strategie war, den Nationalsozialismus für die Vereinigten Staaten anzupassen.
Seit Adolf Hitlers Regime verschwunden ist, sind alle Formen des Neonazismus Neuinterpretationen. Wenn die Amerikaner*innen vermeintliche „Untermenschen“ zu ihrer „Herrenrasse“ machen könnten, was würde dann andere Umdeutungen ausschließen? Jede Ethnie könnte sich nun zur „Herrenrasse“ aufschwingen. Schlussendlich ist der Nationalsozialismus etwas, das auf jede lokale Realität angewendet werden kann.
„Race“ und Nation in Lateinamerika
Der Nationalsozialismus in Lateinamerika ist aus mehreren Gründen komplizierter als in den USA und anderswo. Große Teile der Region werden seit langem oder wurden lange von verschiedenen autoritären Regierungen und Bewegungen beherrscht, die zu Recht als faschistisch bezeichnet werden können. Dazu gehören klerikalfaschistische Regierungen, Militärjuntas und Paramilitärs, die in schmutzige Kriege verwickelt sind.
In Brasilien entstand in den 1930er Jahren eine besondere Variante des Faschismus, die sich Integralismus nannte, und die nicht primär rassistisch war. (HINWEIS: Dies unterscheidet sich von der modernen katholischen Integralismus-Bewegung.) Es gibt Gründe dafür, wie ethnische und nationale Identität in Lateinamerika funktionieren – und wie die lateinamerikanische Identität in den USA gesehen wird. Im Folgenden wird eine grobe Verallgemeinerung der Funktionsweise dieser Konzepte in Lateinamerika vorgenommen, um zu verdeutlichen, wie sich die verschiedenen Arten von Neonazis zu diesen Themen positionieren. In jedem Land, und sogar innerhalb der Länder, kann Identität auf unterschiedliche Weise gesehen werden. In der Regel gehen Neonazis jedoch weitaus einfacher und eindeutiger an das Thema Identität heran als andere, so dass sie im Allgemeinen dem hier dargelegten Schema folgen.
In Lateinamerika gibt es zwar das Konzept der „Rasse“, aber es ist viel fließender als in den Vereinigten Staaten, während die Betonung des Nationalismus stärker ist: Ecuadorianer zu sein, kann beispielsweise wichtiger sein als eine „rassische“ Identität.
Es gibt auch einen großen Unterschied zwischen der Art und Weise, wie Lateinamerikaner*innen (und ihre Kinder) in den Vereinigten Staaten kategorisiert werden, und dem Selbstverständnis der Lateinamerikaner*innen. Aus Sicht der USA ist jeder, der in Lateinamerika geboren ist, ein „Latino“, eine „Latina“, unabhängig von der tatsächlichen familiären Abstammung. Das bedeutet, dass in Lateinamerika geborene Menschen, die dasselbe europäische Erbe haben wie Weiße in den USA – d. h. die als weiß gelten würden, wenn sie in den Vereinigten Staaten geboren wären – , nach den in den Vereinigten Staaten üblichen Vorstellungen von Identität, als Latino bezeichnet werden. In Lateinamerika jedoch betrachten sich dieselben Personen im Allgemeinen als „weiß“ (wenn sie sich selbst „rassisch“ und nicht als national betrachten).
Andere Lateinamerikaner*innen sind das, was viele Menschen in den USA als dunkelhäutige Menschen aus Lateinamerika betrachten. Ihre Familienhintegründe sind in der Regel eine Mischung aus europäischen, indigenen und manchmal Schwarzen Identitäten.
Aus der Sicht der USA würden alle diese Neonazi-Gruppen als „Latino“ betrachtet werden. In Lateinamerika ist die Diffenrenzierung jedoch viel ausgeprägter.
Einige konzentrieren sich auf die nationale Identität; daher können sie verschiedene Ethnien umfassen.
Es gibt Gruppen, die sich als rein europäisch abstammend, d. h. weiß, identifizieren. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg gab es nationalsozialistische Gruppen in europäischen Einwanderergemeinschaften in Lateinamerika, und einige Nazis, die nach dem Krieg dorthin flohen, gründeten neue Gruppen. (Die argentinische Nationalsozialistische Partei wurde zum Beispiel vom Sohn des Nazi-Kriegsverbrechers Adolf Eichmann geleitet). Diese Gruppen verwenden manchmal Slogans wie „White Power“ und „White Pride World Wide“, unabhängig davon, wie sie von Neonazis in den Vereinigten Staaten und europäischen Gruppen gesehen würden. Diese weißen lateinamerikanischen Gruppen positionieren sich auch gegen Menschen mit gemischter Hautfarbe (in Lateinamerika üblicherweise als „Mestizen“ bezeichnet).
Mestizo-Neonazis wollen das sein, was in den Vereinigten Staaten im „Census“ als „nicht-weiße Latinos/Hispanics“ klassifiziert wird. Manchmal wird dies als das Beste aus zwei Welten dargestellt. Eine Gruppe beschreibt sich selbst als „Kinder einer Begegnung zweier großer Reiche. Wir sind stolz auf unser hispanisches und auf unser indigenes Erbe, denn in unseren Adern fließt das Blut zweier Völker, und unser Ansatz ist es, diese Mestizaje zu lenken und das Beste daraus zu machen“.
Schließlich gibt es sehr wenige Neonazis, die sich als Indigene bezeichnen.
Nicht-rassistische Themen
Im Allgemeinen neigen lateinamerikanische Neonazis jedoch dazu, „Rasse“ oder Hautfarbei als Identifikation herunterzuspielen. Und insgesamt gibt es alle möglichen anderen Themen, die für Neonazis jeder Ethnie von größerer Bedeutung sein können. Der Nationalsozialismus basiert auf Autoritarismus und Hierarchie und ist gegen Demokratie und Gleichheit. Dazu gehören Antisemitismus, Rassismus, Anti-LGBTQ+, Frauenfeindlichkeit und Antifeminismus sowie Fremdenfeindlichkeit. So betonte Diaz beispielsweise seinen Hass auf Muslime und LGBTQ+-Menschen, während Garcia anti-asiatisch, anti-schwarz und frauenfeindlich war. In der Mongolei und in Malaysia betonen Neonazis ihre Ablehnung der Einwanderung.
Aber es geht nicht nur darum, wogegen die Nationalsozialist*innen sind, sondern auch darum, wofür sie sind (was häufig übersehen wird). Nationalsozialist*innen wünschen sich Ultranationalismus, eine „Blut-und-Boden“-Politik, eine Rückkehr zu den konservativen Gesellschaftsstrukturen der Vergangenheit, die Betonung der Spiritualität gegenüber dem Materialismus und ein Wunsch nach Ganzheitlichkeit und Einigkeit.
Einige Neonazis fühlen sich auch aus anderen Gründen zu den ursprünglichen Nazis hingezogen, etwa wegen ihrer Fahnen und Uniformen. Hitler wird oft als großer Führer angesehen, der den Nationalstolz zurückbrachte und seinem Land Ordnung verschaffte. Diese Sichtweise ist heute in Indien weit verbreitet.
Schließlich gibt es einige sehr moderne Gründe, warum sich Menschen zu den Nazis hingezogen fühlen und selbst zu Neonazis werden können. Menschen können sich genau zu den gleichen Gründen hingezogen fühlen, aus denen Nazis abgelehnt werden: weil Neonazis in der populären Kultur als Personifizierung des Bösen dargestellt werden. Ihre Assoziation mit Völkermord ist für manche ein anziehender Faktor. Und schließlich können Menschen im Zeitalter der sozialen Medien diese Politik halb-ironisch annehmen (nicht selten geht man zu einer nicht-ironischen Akzeptanz über) oder als Teil einer synkretistischen Politik, die alle möglichen unterschiedlichen Ideologien einschließt.
Beispiele aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg
Arabische Länder
Vor und während des Zweiten Weltkriegs gibt es zahlreiche Beispiele von Nationalsozialist*innen, die PoC waren, ganz zu schweigen von Kollaborateuren und Sympathisant*innen. Das Vordringen des Nationalsozialismus in die muslimische Welt, von Nordafrika bis zum Iran, ist eines der bekanntesten und am weitesten verbreiteten Beispiele.
Im Jahr 1934 wurden Auszüge von „Mein Kampf“ auf Arabisch veröffentlicht, und die Nazis verbreiteten antisemitische Propaganda in der Region. Die faschistischen Gruppen, die sich bildeten, waren oft von Mussolini beeinflusst, aber es gab auch Nationalsozialisten wie die Syrische Soziale Nationalistische Partei (SSNP), die heute noch als Anhängsel der Baathisten existiert.
Die Nazis warben auch direkt bei den Muslimen. Während des Krieges gewährten sie dem Großmufti Amin al-Husseini, einem pro-nazistischen Palästinenserführer, der dabei half, bosnische Muslime für die SS zu rekrutieren, Unterschlupf, und sie gaben eine arabischsprachige Zeitung, „Barid al-Sharq“, heraus.
Nach dem Krieg flohen deutsche Nazis vor Vergeltung in den Nahen Osten, wo einige zum Islam konvertierten. In Ägypten förderten sie den Antisemitismus als Teil des Propagandaapparats der Regierung gegen Israel und halfen in Syrien, das Foltersystem des Regimes aufzubauen. Heute haben White Supremacists unterschiedliche Meinungen über Muslime – während viele islamfeindlich sind, sympathisieren nicht wenige mit autoritären islamistischen Gruppierungen – solange sie sich aus dem Westen heraushalten.
Iran
Der Nazi-Radiosender Radio Zeesen sendete Propaganda für Iraner*innen, die Hitler als schiitischen Messias darstellten, der Juden und Kommunisten vernichten wolle. In den 1950er Jahren gründete ein ehemaliges SS-Mitglied die „Nationalsozialistische Arbeiterpartei Irans“ (SUMKA), und in den vergangenen Jahren sind im Iran – wo Antisemitismus zur Staatsräson gehört – immer wieder Neonazis und Holocaustleugner aufgetaucht. In jüngerer Zeit war Jason Jorjani, ein Amerikaner iranischer Abstammung, einer der Redakteure der Website AltRight.com von Richard Spencer.
Japan
Während die mit den Nazis verbündete Regierung Japans in den 1930er und 40er Jahren ebenfalls die „Rassen“-Vorherrschaft vertrat, war die Tōhōkai („Vereinigung des Ostens“, gegründet 1936) die Partei, die am häufigsten als nationalsozialistisch angesehen wurde. Einige schwarze Amerikaner*innen unterstützten das kaiserliche Japan, von dem sie glaubten, es nehme am antiimperialistischen Kampf gegen die „weißen“ Länder teil.) In den frühen 1960er Jahren schloss sich die Greater Japan Patriotic Society (Gegründet 1951) der World Union of National Socialists (WUNS) an, und in den 1980er Jahren entstand die National Socialist Japanese Workers‘ Party. Es gibt seit langem eine blühende Nazi-Skinhead-Szene im Land.
Indien
Vor und während des Krieges gab es in Indien, das damals von den Briten besetzt war, eine breite Unterstützung für die Nazis. Aber es war nicht nur ein Fall von „der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Einige Inder*innen vertraten aktiv eine Mischung aus Hindutva (Hindu-Nationalismus) und Nationalsozialismus, da einige hochkastige Inder*innen sich ebenfalls als Arier sahen (obwohl Hitler diese Idee nicht akzeptierte). Das Hakenkreuz war ein weit verbreitetes Symbol, und einige Leute bauten Hitler-Altäre in ihren Häusern. Savitri Devi, eine französisch-griechische Frau, die zu dieser Zeit in Indien lebte und zu diesen Kreisen gehörte, hielt Hitler für einen unsterblichen Gott – eine Idee, die sie in westlichen Neonazi-Kreisen verbreitete und die bis heute populär ist.
Beispiele aus der Nachkriegszeit
Viele Menschen, die Zeit in der White-Supremacist-Bewegung und in deren Umfeld verbracht haben, wissen von Neonazis zu berichten, die People of Color sind. Wie häufig sie sind, ist schwer zu beurteilen. Ernest sagte, dass er in seinen drei Jahren als „Stormfront“-Moderator zwischen 20 und 40 „White Supremacists“ (einschließlich Neonazis) getroffen hat, die People of Color waren. In seiner gesamten Zeit in der Bewegung habe er Hunderte getroffen, wenn auch fast alle online.
Einer der Autoren dieses Artikels schätzt, dass es in den Vereinigten Staaten vielleicht einige Dutzend Latino-Neonazi-Skinheads gibt. Chad, ein ehemaliger Hammerskin, der fünfzehn Jahre in der Bewegung verbracht hat, sagte den Autoren, er sei etwa einem Dutzend begegnet – hauptsächlich Skinheads, aber auch Biker und Mitglieder der Nazi-Gefängnisgang Low Riders.
Schwarze Neonazis in den Vereinigten Staaten und Europa
Es gibt einige prominente Schwarze in der extremen Rechten der USA. Der bekannteste schwarze Nazi-Sympathisant und Kollaborateur ist heute der Musiker Ye (früher Kanye West). Im Jahr 2022 sagte er: „Ich bin ein Nazi“, lobte Hitler und begann, mit dem Holocaustleugner und White Supremacist Nick Fuentes – selbst ein Latino – zusammenzuarbeiten.
Die häufigsten Berichte über schwarze Neonazis betrafen Skinheads. Eine der berüchtigtsten Personen ist Lefty, eine Schwarze Frau, die in den 1980er Jahren Teil der Punkszene in DC war und eine gewalttätige Skinhead-Gang anführte, die dafür bekannt war, LGBTQ+ Menschen anzugreifen. Chad erzählte die Geschichte von zwei Brüdern, die beide schwarz waren und zu einer Gruppe weißer rassistischer Skinheads gehörten; sie wurden geduldet, bis sich die weißen Skinheads offiziell einer weiß-supremistischen Organisation, Tom Metzgers WAR (White Aryan Resistance), anschlossen./
Leo Oladimu schreibt in seinem autobiografischen Essay „Ich war ein schwarzer Nazi-Skinhead„, dass er sich erst als Weißer identifizierte, als er in das Gefängnissystem mit seiner berüchtigten Rassentrennung kam. In einem Versuch, damit umzugehen, erfand er sich als weißer Neonazi neu, obwohl er sich später davon lossagte.
Aber keiner von ihnen ist so extrem wie Jackie Arklöv, der als Sohn einer liberianischen Mutter in Schweden aufwuchs und dort einen starken Selbsthass entwickelte, bevor er sich einer Neonazi-Gruppe anschloss. Wie Diaz argumentierte er, dass es kein Widerspruch sei, wenn PoC Nationalsozialisten seien. Von dort aus meldete er sich während der Jugoslawienkriege in den 1990er Jahren als Freiwilliger zur kroatischen Armee, wo er wegen Kriegsverbrechen verurteilt wurde. Arklöv kehrte schließlich nach Schweden zurück, wo er nach der Ermordung zweier Polizisten im Gefängnis landete.
Latinos in den Vereinigten Staaten
Einige US-Latinos wurden als Neonazis identifiziert; wie bereits erwähnt, gibt es verschiedene Arten, wie sie ihre Identität und deren Beziehung zu ihrer Politik sehen. Dies hängt zum Teil damit zusammen, dass Lateinamerikaner*innen unter den nicht-weißen Bevölkerungsgruppen in den USA am weitesten rechts stehen: Im Jahr 2020 stimmten über 30 Prozent von ihnen für Donald Trump.
US-amerikanische Lateinamerikaner*innen sind in allen rechtsextremen Gruppen anzutreffen, die etwas gemäßigtere Positionen vertreten und nicht für die extremeren Formen der „White Supremacy“ stehen und keine rassistischen Einschränkungen für die Mitgliedschaft haben, einschließlich der Anführer der Proud Boys und der Oath Keepers. Es ist keine Überraschung, unter den weißen Trumpisten Neonazis zu finden, denn sie haben diese Ideen einfach zu ihrer logischen Schlussfolgerung gebracht. Das Gleiche gilt für Latinos: Es gibt jetzt mehr Neonazis unter den Latinos in den Vereinigten Staaten, was zum Teil daran liegt, dass Trump diese Politik einem so großen Publikum nahegebracht hat.
Ernest behauptet, dass er in seinem früheren Leben „unzählige“ Latino White Supremacists kannte. „Stormfront“ hat in der Tat spanisch- und portugiesischsprachige Unterforen, mit speziellen Abschnitten für Brasilien, Argentinien und Uruguay. Der explizit neonazistische „Daily Stormer“ hat auch eine spanischsprachige Version.
Der berühmteste „White Supremacist“ mit Neonazi-Merkmalen ist heute Nick Fuentes, der Anführer der Groyper-Bewegung. Der Holocaustleugner ist dafür bekannt, dass er sagt: „Ich bin genau wie Hitler“ und den „totalen arischen Sieg“ fordert. Fuentes ist es gelungen, auf beeindruckende Weise in den rechten Flügel der Republikanischen Partei einzudringen, und er hat Verbindungen zu einer Reihe von Kongressabgeordneten. Vor kurzem sorgte er für einen Skandal, als er sich mit Ye zu einem Treffen mit Trump traf.
Joseph Jordan, alias Eric Striker, war schon vor der Alt-Right-Bewegung aktiv, wurde aber erst mit ihr zu einer bekannten Persönlichkeit, die für den „Daily Stormer“ schrieb und Podcasts machte. In jüngerer Zeit half er bei der Gründung der „National Justice Party“. In denselben Kreisen verkehrt auch Bernardo Garcia, der den kanadischen Alt-Right/Neonazi-Podcast „Ensign Hour“ mitmoderiert.
Sowohl Fuentes als auch Jordan waren 2017 bei der berüchtigten „Unite the Right“-Demo in Charlottesville. Die größte von Faschisten angeführte Kundgebung in den Vereinigten Staaten seit den 1970er Jahren endete mit einem Autoangriff, bei dem eine Antifaschistin getötet und fast 30 weitere verletzt wurden. Fuentes und Jordan waren jedoch nur zwei von mehreren Latinos vor Ort. Zum Beispiel Cesar Adolfo, einer der wenigen, die offen als Latino in eine „White Supremacy“-Gruppe, die „Traditionalist Worker Party“, aufgenommen wurden. Alex Michael Ramos wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt, weil er am brutalen Angriff auf DeAndre Harris, einen Schwarzen, nach der Kundgebung beteiligt war.
Ebenfalls anwesend war Irving Antillon von Batallon 49 (B49), einer rechtsextremen Latino-Skinhead- und Punk-Gang in New York City. Obwohl B49 bestreitet, Neonazis zu sein, haben antifaschistische Researcher die Verwendung von Neonazi-Symbolen und Tattoos dokumentiert. Es wird davon ausgegangen, dass die Gruppe ihr öffentliches Image absichtlich aufweicht, um die Rekrutierung zu erleichtern und möglicherweise den Konflikt mit weißen Neonazis zu entschärfen. Der B49-Ableger in Mexiko-Stadt hat sich jedoch recht offen zu seiner Politik bekannt und Fotos gepostet, auf denen Mitglieder vor Hakenkreuzen den „Hitlergruß“ zeigen.
Asien und pazifische Inseln
Neben den bereits erwähnten japanischen Gruppen gibt es in mehreren asiatischen Ländern und pazifischen Inselstaaten dokumentierte Neonazis. In der Mongolei ist die Tsagaan Khass („Weißes Hakenkreuz“) die im Westen bekannteste Gruppe. Die Gruppierung ist nicht so sehr antisemitisch, aber richtet sich gegen die chinesische Bevölkerung.
In Malaysia gibt es eine berüchtigte Nazi-Skinhead-Szene, die „Malay Power“ anstelle einer „arischen“ oder weißen Identität propagiert und sich auch gegen die Einwanderung wendet. Taiwan ist die Heimat der National Socialism Association. Sie behaupten zwar, keine Neonazis zu sein, aber zusätzlich zu ihrem nationalsozialistischen Namen und Symbol preisen sie Hitler.
Kanada
Die Kanadierin Lindsay Souvannarath, deren Vater Laote ist, wurde 2015 wegen der Planung eines Massenmordes verhaftet. Vom Gefängnis aus korrespondiert sie mit dem Neonazi James Mason, dem Autor des Terroristenhandbuchs „Siege“. Souvannarath war bereits zuvor in neonazistischen Online-Kreisen aktiv und hatte eine Online-Beziehung mit Alexander Slavros. Slavros gründete die Website „Iron Marsch“, aus der eine Reihe zeitgenössischer Neonazi-Gruppen hervorgingen, darunter die berüchtigte Atomwaffen-Division, die für Terrorismus wirbt und mit mehreren Morden in Verbindung gebracht wird. Slavros selbst hat einen usbekischen Hintergrund und würde daher von vielen nicht als weiß angesehen werden. In mindestens einem Fall könnte es sich um einen indigenen Neonazi handeln. Im „Iron March“-Forum gab es offenbar einen Nutzer mit dem Nickname „One Good Injun“.
Neonazismus in Lateinamerika
In den meisten Ländern Lateinamerikas gibt es irgendeine Form von Neonazi-Präsenz. Wie bereits erwähnt, kann die nationale oder rassische Identität dieser Gruppen auf unterschiedliche Weise gesehen werden. (Die folgenden Beispiele umfassen mehrere Jahrzehnte und nicht alle dieser Gruppen existieren heute noch).
Argentinien ist nach US-Maßstäben weitgehend weiß und war die Heimat verschiedener Gruppen. Der Partido Nuevo Triunfo („Neue Triumphpartei“) wurde die Verwendung des Hakenkreuzes verboten, und 2009 weigerte sich die Regierung, sie als politische Partei anzuerkennen. Im Jahr 2015 durfte die Bandera Vecinal („Lokale Fahne“) an den Wahlen teilnehmen, nachdem sie ihren Namen von „Nationalistische Sozialistische Arbeiterpartei“ geändert hatte. In jüngster Zeit ist eine Gruppe aufgetaucht, die behauptet, Teil der Atomwaffendivision zu sein.
In Brasilien ist ein Wiederaufleben der Neonazis im Gange; eine Studie aus dem Jahr 2021 will 530 kleine Gruppen im Land gefunden haben. Die Misanthropic Division, eine weitere Gruppe aus dem Umfeld von „Iron March“, gründete dort eine Ortsgruppe und rekrutierte 2016 erfolgreich Soldaten für den Einsatz in der Ukraine; Fotos von Fahnen der „Misanthropic Division Brasil“ in der Ukraine wurden in den sozialen Medien veröffentlicht. Im Jahr 2009 wurden über zwei Dutzend Mitglieder der Organisation „Neuland“ nach zwei Morden verhaftet. In Brasilien gibt es auch Ableger internationaler Nazi-Skinhead-Gruppen wie die Hammerskins und Combat 18 sowie einen Telegram-Kanal, der behauptet, zur Atomwaffen Division zu gehören.
Der bekannteste Nationalsozialist in Chile war Miguel Serrano. Er war in den 1930er Jahren Mitglied des Movimento Nacional Socialista de Chile, wurde später chilenischer Botschafter in Österreich und vertrat zusammen mit Savitri Devi die Theorie von Hitler als einer Art Gottheit. Nach dem Krieg gehörten zu den Neonazi-Parteien die Partido Nacionalsocialista Chileno und in jüngerer Zeit El Martillo del Sur („Der Hammer des Südens“).
Kolumbien ist eine Brutstätte für Nazi-Skinheads, insbesondere Bogota. Eine Gruppe behauptet, Teil der Nazi-Skinhead-Organisation Blood & Honour zu sein; die europäischen Gruppen sind sich über ihre Legitimität uneins. Die kolumbianischen Nazi-Skinheads orientieren sich an einer vergleichsweise großen Neonazi-Partei, der Tercera Fuerza („Dritte Kraft“), die Verbindungen zu rechtsgerichteten Paramilitärs hat.
In Costa Rica löste sich die Partido Nacional Socialista Costarricense (Nationale Sozialistische Partei Costa Ricas) Anfang der 2010er Jahre unter dem Druck der Behörden auf, wurde aber durch Gruppen wie Resistencia Ideológica Nacional Socialista de Costa Rica („Nationaler Sozialistischer Ideologischer Widerstand Costa Ricas“) und La Sociedad Costarricense de la Lanza Hiperbórea („Die costa-ricanische Gesellschaft der Hyperboreanischen Lanze“) ersetzt.
Mexiko hat wahrscheinlich die größte Neonazi-Bewegung in Lateinamerika. Ein bekannter Schriftsteller, Salvador Borrego, war vor dem Zweiten Weltkrieg ein Nazi-Sympathisant und verbreitete bis zu seinem Tod im Alter von 102 Jahren im Jahr 2018 weiterhin Antisemitismus. Der texanische Massenmörder Garcia postete in den sozialen Medien drei Bilder von Nazi-Skinheads bei Aufmärschen der Frente Nacionalista de Mexico (Nationalistische Front von Mexiko), die nur eine von mehreren Neonazi-Gruppen im Land ist.
Auch in Mexiko gibt es eine blühende Nazi-Skinhead-Szene, und US-Bands kommen hierher, um zu spielen; zu einem Festival im Jahr 2022 kamen beispielsweise 300 Leute. Außerdem gibt es eine Reihe von NSBM-Bands (National Socialist Black Metal), die auch in Brasilien, Peru und vor allem in Argentinien zu finden sind.
Mexiko ist auch die Heimat einer der ungewöhnlichsten Erscheinungsformen des lateinamerikanischen Neonazismus: Aztec NSBM. Bands wie Tlateotocani, Maquahuitl und Eztlacuani, die sich um das Label Organización Nacional Socialista Pagana (ONSP) gruppieren, verwenden indigene Kunst und Kleidung, singen manchmal in indigenen Sprachen und verbinden den Nationalsozialismus mit der Politik der Dekolonisierung. Eine der wenigen assoziierten US-Gruppen, Sacrificial Massacre, hat zum Beispiel ein Lied mit dem Titek „Native Americans Against Z.O.G.“ „ZOG“ steht für „Zionist Occupied Government“, eine unter Neonazis beliebte antisemitische Verschwörungserzählung, die davon ausgeht, dass eine jüdische Kabale heimlich die Regierung der Vereinigten Staaten kontrolliert.
In Peru versuchte die Nationalsozialistische Bewegung der Anden Perus 2012, sich als politische Partei registrieren zu lassen. Sie ist besonders bemerkenswert, weil Garcia auch ein Bild der Gruppe gepostet hat.
Auch in Uruguay gab es mehrere Gruppen. Im Jahr 1999 wurden vier Organisationen identifiziert, nachdem Mitglieder der Orgullo Skinheads (Skinhead Pride) verhaftet worden waren. Die anderen drei waren Frente Nacional Revolucionario (Nationale Revolutionsfront), Resistencia Nacional Socialista (Nationaler Sozialistischer Widerstand) und Hijos de Europa (Kinder Europas).
Fazit
Nach dem Massaker von Garcia beeilten sich zahlreiche Mainstream-Kommentatoren, ein Urteil zu fällen. Viele konzentrierten sich auf den verinnerlichten Rassismus und die antischwarzen Rassismus innerhalb der US-amerikanischen Latino-Gemeinschaft, was durch Garcias eigene Aussagen untermauert wurde. Die große Mehrheit von ihnen warf jedoch auch eine Reihe rechter politischer Strömungen von People of Color, wie z. B. die Trumpisten, in einen Topf und tat sie pauschal ab, weil sie angeblich lediglich an den Vorteilen teilhaben wollten, die weiße Menschen genießen.
Diese Art von Kritik, lehnt implizit die Vorstellung ab, dass es unter Lateinamerikaner*innen eine Vielzahl von politischen Ansichten gibt. Dieser Ansatz erkennt nicht an, dass sie oder andere PoC tatsächlich faschistische oder nationalsozialistische Ansichten vertreten können. Die Präsenz von Nationalsozialisten in zahlreichen Ländern, die nicht mehrheitlich weiß sind, zeigt, dass dies zweifelsohne möglich ist.
Diese Ablehnung beraubt People of Color auch ihrer eigenen politischen Handlungsfähigkeit und weigert sich anzuerkennen, dass diese Politik vor allem unter Lateinamerikaner*innen tatsächlich Anhänger*innen hat. Sie verkennt auch, dass dies der Fall ist, weil politische Bewegungen auf soziale und materielle Bedingungen sowie auf psychologische Bedürfnisse reagieren. Das gilt für alle Bereiche, nicht nur für weiße Neonazis. Im Wesentlichen werden weiße Neonazis als Täter betrachtet, während „Neonazis of color“, als bloße Dummköpfe dargestellt werden – auch wenn beide am Ende fast gleich handeln.
Die Position der extremen Rechten als legitimer Mainstream-Akteur in der US-Politik scheint nun beschlossene Sache zu sein, was durch den zunehmenden Rechtsruck unter US-amerikanischen Lateinamerikaner*innen noch verstärkt wird. Die Linke muss ein klares Verständnis für die Überzeugungen, die Organisation und die Handlungen von Neonazis, die People of Color sind, gewinnen – genauso wie sie es bei weißen Rechtsextremen versucht.
Letzten Endes werden Neonazis, die nicht weiß sind, genauso wie ihre weißen Gegenstücke Gewalt anwenden, um ein breites Spektrum von Identitäten anzugreifen, darunter Jüdinnen:Juden, Muslime, LGBTQ+-Menschen, Immigranten, Feministinnen und sogar People of Color anderer Identitäten. Befürworter der Unterdrückung sind in allen Gruppen zu finden, und ein „multirassischer“ Neonazismus existiert bereits in der Realität – ob man sich das vorstellen kann oder nicht.