ACSD 2022
ACSD Kollectiv
Diese Zine enthält die Texte der Reden, die auf dem Anarchistischen CSD am 17. Juli 2022 gehalten wurden. Einige der Texte wurden von Mitgliedern des ACSD Kollektivs selbst geschrieben, andere stammen von Freund:innen und anderen Genoss:innen.
Wir wollten dies im Textformat nicht nur, um unsere Veranstaltung zu dokumentieren, sondern auch, um sie leichter zugänglich zu machen. Manche Menschen sind schwerhörig oder sprechen nicht fließend Deutsch und Englisch. Die Veranstaltung enthält Übersetzungen in die deutsche Gebärdensprache, was für manche Menschen vielleicht nicht das beste Format ist. Da die Reden im Voraus vorbereitet wurden, kann diese Zine von den Zuhörern zum Mitlesen verwendet werden. Betrachten Sie es als eine Art Untertitel für die Veranstaltung.
Intern hatten wir beschlossen, dass das übergreifende Thema “Community als Mittel zur Selbstverteidigung” lautet. Die Reden spiegeln dies wider, und obwohl einige der Emotionen verloren gehen, wenn sie in Text umgewandelt werden, hoffen wir, dass diejenigen, die nicht teilnehmen können, in der Lage sind, dies in ihrer eigenen Zeit zu lesen und unsere Liebe und Wut zu spüren.
— Das ACSD Kollektiv
acsd.noblogs.org
acsd@mail36.net
Auftakt Rede
Hallo ihr alle, und herzlich willkommen zum Anarchistischen CSD 2022.
Angesichts all dessen, was in den letzten Jahren in der Welt passiert ist, haben wir uns als Thema für dies Jahr Communitiy aufbauen gewählt. Wir haben die Pandemie, die Kriege, die Räumungen und den Verlust unserer Räume (Hallo Liebig 34, Syndikat, Köpi-Wagenplatz und andere!) und wir sehen die zunehmende faschistische und queerfeindliche Gewalt. Es gibt viel zu beklagen, vor allem den Anschlag während der Osloer Pride, der nicht nur uns schadet, sondern von Reaktionär:innen dazu benutzt wird, andere Arten von Hass zu schüren. Anstatt weiter zu spalten und zu vereinzeln, wollen wir diesen Tag nutzen, um darüber nachzudenken, wie wir Gemeinschaft also Community aufbauen können.
Community als safer space, aber auch als ein Ort, an dem wir für uns und andere genau darüber hinaus wachsen können.
Safer spaces sind wichtig und gut und wir brauchen sie, um uns selbst zu stärken und empowern. Aber wir wollen weder ständig zu vulnerablen Gruppen gemacht werden, noch immerzu für die Normalisierung von Queerness kämpfen. Wir wollen eine sichere Welt für alle, wir wollen ein gutes Leben für alle.
Wenn wir uns untereinander und mit unseren Communities connecten, werden wir stärker. Wenn wir lernen, uns gegenseitig zu unterstützen, auch wenn es verletzende Erfahrungen gibt, die uns trennen, werden wir stärker. Wenn wir lernen, mit der Diversität so radikal und spezifisch umzugehen, wie sie im wirklichen Leben ist, werden wir stärker.
Unsere Diversität ist unsere größte Kraft, ebenso wie unsere Liebe zu uns selbst und zueinander. Diese Diversität und unsere alternativen Lebensweisen sind es, die unsere Feind*innen am meisten fürchten. Unsere Existenz und Lebensfreude beweist, dass ihre absolutistischen Ansichten darüber, wie die Dinge sein müssen, nur Projektionen sind und keine Aussagen über die Realität. Wenn wir sagen “wir wollen die Welt,” dann wollen wir eine Utopie der Pluralität, und wir wollen diese Veranstaltung heute nutzen, um darüber zu sprechen.
Wir sind vielfältigen Bedrohungen ausgesetzt. Trans- und homofeindliche Personen attackieren uns, verweigern uns Arbeit und Wohnung. Die Polizei greift unsere Demos und Versammlungen an. Hilferufe werden ignoriert und diejenigen, die angegriffen werden, werden von den Sicherheitsorganen oft selbst verdächtigt und weiter traumatisiert. Das Überleben im Kapitalismus zermürbt uns. Es fehlt an psychologischer Begleitung oder auch oft schon an der Zeit, uns mal in Ruhe hinzusetzen und zu entspannen. Armut, Krankheit, Gewalt und Depression sind allgegenwärtig.
Niemand sollte sich dem allein stellen müssen, und niemand kann dieses System allein ändern.
Aber wir müssen nicht allein sein. Der erste Schritt zur Community besteht darin, jemanden zu finden, zu dem du eine Verbindung hast. Freund:innen, Geliebte:r, Kolleg:innen, die Person, die die dir Kebabs macht, die mit dir in einem Haus wohnt und sich Sorgen über die steigende Miete macht, die Du jeden Tag auf der Straße oder auf dem Spielplatz triffst. Vorher warst du allein, jetzt gibt es einen ersten Kontakt.
Wenn du krank bist, kann sich diese Person um dich kümmern. Wenn sie gestürzt ist, kann kannst du sie aufheben. Wenn eins Hilfe braucht, ist das andere da. Zwei oder mehr Menschen, die sich gemeinsam gegen einem Angriff stellen, sind unendlich viel stärker als eine allein.
Diese neue Verbindung kann zu einer einzelnen Person oder zu ihrem sozialen Umfeld bestehen. Zwei Wohnungen in einem Gebäude können sich connecten und eine Mietervereinigung gründen. Zwei Freund:innengruppen können sich zusammentun, und daraus kann ein Kollektiv entstehen. Zwei Kollektive können sich zusammenschließen und eine autonome und dezentrale Aktion ins Leben rufen. Aber in allen Fällen beginnt es damit, zueinander Kontakt aufzubauen.
Die Realität ist nicht rosig, und wir wissen, dass es viele Hindernisse beim Aufbauen tragfähiger Beziehungen gibt, auch auf der politischen Ebene. Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Abelismus, und andere Ausgrenzungs- und Diskriminierungsformen sind in unseren Gruppen und Hirnen präsent. Das führt zu Konflikten und Widersprüchen.
Außerdem gibt es oft ein Bedürfnis die eigene Peergroup zu schützen -zum Teil aus Bequemlichkeit und der Freude am Vertrauten, aber zum Teil auch in Verbindung mit (begründeter) Paranoia, so dass viele Gruppen und Zusammenhänge weniger offen und neugierig sind, als es der eigene Anspruch ist.
Wo stehen wir jetzt? Wo wollen wir hin? Wie wollen wir dorthin kommen? Das sind die Themen des diesjährigen ACSD.
Wenn wir überleben wollen, wenn wir eine Welt ohne Grenzen, Kapitalismus und den Staat erreichen wollen, müssen wir unsere eigene Community aufbauen. Wir müssen uns mit unseren Nachbar:innen, unseren Mitarbeiter:innen und untereinander connecten. Wir müssen die bestehenden losen Verbindungen erkennen,bearbeiten und verstärken. Wir müssen die Art von Beziehungen und Strukturen aufbauen, die das bestehende System ersetzen können. Wir sind genug und wir können es schaffen.
Queere Menschen, insbesondere Trans-Personen, stehen an vorderster Front der faschistischen Angriffe auf die sogenannte liberale Demokratie durch die christlich-konservative und extreme Rechte. Wir müssen uns dem jetzt ernsthaft entgegenstellen, um einen gesellschaftlichen Backlash zu verhindern, der für uns alle große Folgen haben kann.
Um diesen Backlash zu verhindern braucht es nicht nur autonome militante Gruppen, die ohne Verbindung zur Community Aktionen machen und sich oft in individualistischer Prahlerei ergehen. Veränderung kann nicht nur durch Gewalt erreicht werden. Aber sie wird auch nicht durch ausschließliche Gewaltlosigkeit erreicht werden. Beides geht Hand in Hand. Es braucht Strukturen, auf die mensch sich verlassen kann und die einen unterstützen, egal was mensch tut. Nicht jede:r kann und will militante Anschläge machen. Was ist mit radikaler Care-Arbeit? Was so oft hinten runterfällt, ist die Frage, wie wir uns materiell und emotional gegenseitig gut unterstützen können, und das beginnt mit der Community.
Und jetzt. Lasst die Diskussionen beginnen. Lasst uns zusammenkommen und feiern. Lasst uns um die trauern, die nicht mehr bei uns sind und uns mit allen unterdrückten Menschen auf der ganzen Welt Solidarität zeigen. Lasst uns in unserer Queerness schwelgen, während wir uns andere mögliche Welten vorstellen.
So, noch einmal Willkommen, lasst es uns anpacken!
Rattenchor, Teil 1
Ich Überkleb’s!
Zuerst war’n wir schockiert, als die Politik -
Ihre Partei-Polit-Parolen auf die Wagen schrieb. -
Bald liefen wir zwischen den Grünen und dem Wagen der Union
Und Volker Beck - - krönte sich zum Homo-Patron.
Der CSD - - tat langsam weh. - -
Wir wollten selber etwas sagen, doch wir liefen diesen Wagen
Von der Homo-Bundeswehr und Homo-Bullen hinterher
Und dachten hey, - - fühl’n denn nur wir uns hier verkehrt?
(Refrain)
Geh weiter, geh! - - Geh, CSD! - -
Ich dreh mich um, damit ich deine Werbeaufschrift nicht mehr seh’.
Du hast dich selber längst verkauft, kleb doch ein Preisschild auf dich
drauf,
Hoch den Kommerz, - - reckt Werbeposter himmelwärts!
Nein, nicht mit mir! - - Ich überkleb’s! - -
Ich kann alleine für mich reden, brauch dazu nicht Geldes Segen,
Bin kein Marken-Fetischist und seh’ ich schnöden Werbe-Mist:
Ich überkleb’s, - - ich überkleb’s, - -
hey hey!
...
Ich erstehe billig Sekt und besaufe mich, -
Die Homo-Werbe-Karawane macht das schöner nicht. -
Ein Heer von ausdruckslosen Knaben, die nur Waschbrettbäuche
haben,
halten mir - - vor meine Nase viel Papier.
Und Lufthansa - - ist auch schon da, - -
Hier kann ich Homo-Autos kaufen oder Homo-Kaffee saufen,
Homo-Duschgel, Homo-Bier, selbst Homo-Pay-TV wirbt hier,
Hier gibt es nichts, was es nicht gibt, das Homo kauft, weil er sich
liebt!
(Refrain )
Oh...
Geh weiter, Geh! - - Geh, CSD! - -
...
Ich überkleb’s, - - ich überkleb’s, - - Ich über-kle-heb’s!
Grenzcontrol
Sommerzeit, Reisezeit.
Mittelmeer, groß und weit.
Überfülltes kleines Boot,
überall lauert Tod.
Winterzeit, bitterkalt.
Hilferuf, der verhallt.
Zaun an Zaun, Polen ist dicht.
Durch den Wald geht es nicht.
Sie stehen an Europas Grenzcontrol.
Verzweifelt, kraftlos, fühlen sich gar nicht wohl.
Suchen Asyl, bekommen Tränengas.
Denn die EU setzt voll auf Grenzcontrol.
Kein Bett, kein Essen, nur Unmenschlichkeit.
Es wächst die Wut und die Entschlossenheit.
Das tote Kind am Strand wird zum Symbol.
Doch die EU setzt voll auf Grenzcontrol.
Halt! Wir leben in dem Überfluss der Zeit.
Wir werden kämpfen mit Beharrlichkeit
für eine bessere Zukunft.
Jeder Zaun und jede Mauer
soll aus wilden Blumen sein.
(Refrain)
Es wird Zeit.
Wir leben nur zum Schein in Sicherheit.
Wir sehen eine andere Wirklichkeit.
Wir glauben an die Menschen, dass die Menschen
an sich glauben denn zusammen sind wir stark.
denn die EU setzt voll auf Grenzcontrol (4x)
Winterzeit, Reisezeit.
Kurdistan, groß und weit.
Nimmst den Flug nach Belarus,
in die EU setzt du kein Fuß.
Nein! Festung Europa stürz’ doch endlich ein.
Wir wollen dafür gern der Anfang sein,
für eine bessere Zukunft.
Jeder Zaun und jede Mauer
soll aus wilden Blumen sein.
(Refrain)
denn die EU setzt voll auf Grenzcontrol (4x)
In der Rüstungsindustrie
2
(Refrain)
In der Rüstungsindustrie
herrscht jetzt große Euphorie,
aus der ganzen Welt
wird bei uns bestellt
und die Kassen klingeln wie noch nie
in der Rüstungsindustrie,
in der Rüstungsindustrie.
Was steht auf den langen Listen?
Wohin gehen all die Kisten?
Alles streng geheim -
gemein!
Handgranaten und Landminen,
wo sind die denn nur geblieben?
Wo liegen sie rum?
Boom!
(Refrain)
Braucht ihr nicht noch Leoparden
in Sand-, Wald- und Wiesenfarben?
Oder was fürs Eis -
in weiß.
Hermes-Bürgschaft hilft beim Zahlen,
Sigmar und die Uschi strahlen.
Aus jedem Kriegsgebiet,
Profit!
(Refrain)
Brückenlegepanzer Biber,
Mittel-, Groß- und Kleinkaliber,
nehmt doch einfach drei,
zahlt zwei.
Deutsche Waffen, deutsches Geld,
morden mit in aller Welt,
aber ganz human,
na dann.
(Refrain)
2
Glasfassade
2
Neulich war ich mal zu Hause,
und da kam mir die Idee:
Ich gehe heute mal flanieren
und zeig der Spree mein Dekolletée.
Doch ich konnt’ es gar nicht fassen,
bekam ’nen kollossalen Schreck: (Huch)
keine Bäume, keine Busche,
und die Spree war einfach weg!
(Refrain )
Ich will keine Glassfassade,
ich will lieber einen Strand,
denn nur dort kann ich mich räkeln
im Bikini elegant!
Statt dem schönen bunten Treiben
gab es nur einen großen Zaun
und monströse Vidjowände
verkünden mir, was sie hier bau’n.
Hier entsteh’n Bürokomplexe
aus Stahl und Glas-Brimborium
und Massenfreizeitsportgehege
mit Überwachungszeugs drumrum.
(Refrain )
Wär’ ich die Bürgerinnenmeisterin,
ja das wre doch gelacht,
ich hätte einen Doktortitel
und die Enteignung wär vollbracht.
Wir wollen uns hier frei bewegen
und Open-Airs das gahze Jahr,
umsonst und draußen selbstverständlich
das Ufer ist für alle da!
(Refrain )
denn nur dort kann ich mich räkeln
im Bikini elegant!
Trans Sexarbeit
Hallo, wir sind die Sex Worker Action Group Berlin. Wir sind heute hier, um eine Rede zu verlesen, die von unseren Geschwisteraktivist:innen, den transsex works, für diese Demo geschrieben wurde. Trans*Sexworks sind jedes Wochenende auf der Straße, um Sexarbeiter:innen zu schützen.
Diese Geschichten von gezielter Gewalt sind erschütternd, aber sie sind nicht neu. Wusstet ihr, dass Polizist:innen uns auf der Straße durchsuchen dürfen, jeder:n von uns, wenn sie uns nur verdächtigen, Sex zu verkaufen? Als Sexarbeiter:innen in Deutschland sind wir gezwungen, uns registrieren zu lassen, wir bekommen einen so genannten Hurenpass. Wenn wir registriert sind, hat die Polizei automatisch das Recht, unsere Wohnungen jederzeit zu durchsuchen, einfach weil wir Huren sind. Wisst ihr, was das mit uns macht? Könnt ihr euch das vorstellen? Ich denke, das könnt ihr wahrscheinlich. Denn in vielerlei Hinsicht ist das, was Sexarbeiter:innen erleiden, die extreme Version dessen, was wir alle als queere Menschen erleben. Sexarbeiter:innen sind die Frontlinie. Wir werden umgebracht. Diejenigen von uns, die trans und PoC sind, werden überproportional oft getötet. Wenn man trans ist, wenn man Migrant:in ist, ist Sexarbeit manchmal unsere einzige Option. Wenn ihr euch für die Beendigung der Gewalt gegen trans Personen einsetzen, müsst ihr euch um Sexarbeiter:innen kümmern, denn wir sind eins. Wir sind eins und wir brauchen euch.
Wir wollen nicht, dass Polizist:innen ihre Arbeit machen. Sie beschützen uns nicht. Sie verletzen uns. Sie setzen Gesetze durch, die uns töten. Lasst uns einen Moment innehalten und unsere Energie auf Entkriminalisierung und Befreiung richten.
Ich stehe heute hier im Namen meiner Sexarbeiter:innen-Geschwister, von denen sich viele aus Angst und Furcht vor dem bloßen Stehen an einem Ort wie diesem nicht an diesem Protest beteiligen können. Aber heute sind sie mit uns hier. Heute stehen wir zusammen. Heute sind wir stärker, denn wir sind nicht allein und wir werden nicht aufgeben.
Von Trans*Sexworks
Vielen Dank an alle, die heute zu dieser Demonstration gekommen sind. Wir sind zutiefst betrübt über die jüngsten Angriffe auf unsere queeren Geschwister. Unser Projekt ist eine Unterstützungsstruktur und Stimme für und von trans und nicht-binären Sexarbeiter:innen. Wir arbeiten vor allem mit migrantischen trans Sexarbeiter:innen zusammen, die in der Frobenstraße arbeiten. Das ist die Straße in Schöneberg, in der trans Streetworker arbeiten. Seit letztem Herbst hat die Gewalt hier extrem zugenommen. Sexarbeiter:innen sind oft die ersten, die den Anstieg der faschistischen Angriffe zu spüren bekommen. Es ist für uns keine Überraschung, dass trans und queere Menschen nun wöchentlich in der ganzen Stadt angegriffen werden. Diese Angriffe ereignen sich in unserer Gemeinschaft seit Monaten, jedes Wochenende. Frauen wurden niedergestochen, mit Messern und Pistolen bedroht, bewusstlos geschlagen, mit Pfefferspray besprüht, bespuckt, belästigt, sexuell missbraucht, vergewaltigt, mit Flaschen und rohen Eiern beworfen, ausgeraubt, von Autos angefahren und vieles mehr.
Wir machen uns Sorgen, dass bald einer unserer Freund:innen getötet wird.
Warum hört uns niemand zu? Wie oft müssen wir darüber berichten, damit sich die Leute dafür interessieren?
Hört ihr zum ersten Mal davon? Wir fragen uns auch, warum. Wir haben mit lokalen Politiker:innen, der Polizei und anderen queeren Organisationen gesprochen. Wir berichten online darüber und bitten Zeitungen und queere Zeitschriften, darüber zu schreiben.
Warum kümmert sich niemand darum? Liegt es daran, dass wir trans sind? Sexarbeiter:innen? Migrant:innen? Wohnungslos? Drogenabhängige? Ist unser Leben nicht wichtig? Ist unser Wohlergehen nicht wichtig? Wann wurdet ihr das letzte Mal bei der Arbeit verprügelt? Vergewaltigt? Bedroht? Sagt jetzt nicht: “Nun, Sexarbeit ist gefährlich.” Nein, ist sie nicht.
Der einzige Unterschied zwischen deinem Grindr-Sexdate und unserer Arbeit ist, dass wir unsere Dienste nicht umsonst zur Verfügung stellen. Sexarbeit ist nicht gefährlich. Frauenfeindlichkeit schon. Rassismus schon. Transphobie schon. Hurenphobie schon.
Das Stigma und die Scham machen uns kaputt. Uns wird gesagt, wir sollen uns für unsere Arbeit schämen. Wir sollen uns schämen, weil wir trans und queer sind. Wir sollen uns schämen, dass Menschen uns angreifen. Wir sollen uns schämen, dass die Polizei unsere Körper nicht schützt. Scham. Scham. Scham. Scham ist ein mächtiges Werkzeug der Unterdrückung.
ABER WIR SCHÄMEN UNS NICHT! Wir schämen uns nicht dafür, dass wir für uns und unsere Familien sorgen. Wir schämen uns nicht, dass wir als Prostituierte arbeiten. Wir schämen uns nicht dafür, trans und queer zu sein. Wir sind stolz! Wir sind stolz darauf, trans zu sein und als Sexarbeiter:innen zu arbeiten!
Wir bitten euch erneut, euch unserem Kampf anzuschließen und uns zu unterstützen. Wenn ihr trans oder nicht-binär seid und Sexarbeiter:innen seid, meldet euch bitte bei uns.
Wir suchen derzeit nach Unterstützung im Kampf gegen die Gewalt und Gentrifizierung im Bülowkiez. Queere Menschen: vergesst eure Geschichte nicht. Wir sind hier und bitten um Hilfe. Bitte wendet euch an uns. Wenn ihr Journalist seid, schreibt bitte über die wöchentlichen Angriffe auf trans Menschen auf der Straße. Hört uns zu. Erhebt unsere Stimmen. Wir versuchen nur zu überleben.
http://transsexworks.com/contact/
sexworksberlin@gmail.com
Queeres Leben auf dem Land
Hallo, ich bin Tyra von Queer Liberation Leipzig und ich ich rede heute über die Situation von queeren Menschen auf dem Land.
Der Redebeitrag richtet sich vor allem an Großstadtqueers und ganz besonders ans sogenannte Allies, allerdings geht es nicht darum, um Hilfe zu betteln oder die Community noch mehr zu spalten, als so schon, sondern ich will darauf aufmerksam machen, dass viele queere Menschen nicht das Privileg haben, in einer Großstadt zu wohnen.
Es fühlt sich komisch an, queere Menschen als privilegiert zu bezeichnen, denn wir sind ja irgendwie alle stark von Gewalt und oft auch Unsichtbarmachung betroffen. Aber dennoch ist es ein Privileg, in einer Großstadt zu wohnen. Denn schon die Anonymität schützt. Und zusätzlich gibt es potenziell mehr queere Menschen zur Vernetzung und Unterstützung, allgemein höhere Toleranz, wobei es da auch schon auf die Stadt bzw. den Stadtteil ankommt, und einen besseren Zugang zu Medizin und Hilfsangeboten.
Im ländlichen Raum sieht es da schon anders aus. Mit Anonymität ist da oft nichts, und auch nur ein kleinstes Abweichen von irgendwelchen Normen kann eine Person zum Dorfgespräch oder sogar zum Dorfgespött machen. Dadurch wird Mensch dann auch schnell betroffen von rechter Gewalt, denn gewaltbereite Neonazis fühlen sich im ländlichen Raum wohler, da sie außerhalb der sogenannten Multi-Kulti-Großstädte viel mehr Akzeptanz in der Bevölkerung finden und nicht oder zumindest selten mit Menschen, die nicht in deren Weltbild passen, konfrontiert werden.
Und ganz ehrlich, ich finde das scheiße. Nicht nur, weil ich Nazis und deren Ideologie scheiße finde, sondern weil ich aus einem Dorf mit ca 80 Einwohner:innen komme und das Dorfleben mag und selber gerne wieder in einem Dorf leben würde. Aber als nicht-binäre trans Frau ist mir das einfach zu gefährlich. Ich hab keine Lust, dass mein queer sein den Dorftratsch dominiert. Ich hab keine Lust, von Faschos aufs Maul zu bekommen, weil sie mich verachten und ich deren heile Welt störe. Ich hab keine Lust, ewig lange unterwegs zu sein, um zu queerfreundlichen Ärzt:innen zu kommen. Und ich hab keine Lust, dort mehr oder weniger alleine zu sein, weil viele queer sich nicht trauen, offen mit ihrer Queerness umzugehen und politisch aktiv zu sein. Und ich kenne viele queere Menschen, denen es da genauso geht.
Wenn die Großstadt-Antifa ihren jährlichen Ausflug zu einer Demo in der Provinz macht, ist einer der beliebtesten Sprüche “Aufruhr, Widerstand, es gibt kein ruhiges Hinterland!” und ich wünsche mir dann jedes Mal, dass es mehr wäre, als nur ein Lippenbekenntnis. Denn doch, es gibt ein ruhiges Hinterland. Und das muss sich dringend ändern!
Wir brauchen keine Großstadt-Antifas, die einmal im Jahr zu uns aufs Land kommen, um uns Solidarität vorzuheucheln. Wir brauchen richtige Solidarität, auch von Leuten, die nicht selber queer sind! Wir brauchen Hilfe beim Aufbau eigener Strukturen in Form von Skillsharing, oder dass ihr zu uns kommt und mit anpackt, oder uns zumindest Geld für die Finanzierung von Projekten gebt. Wir brauchen bessere medizinische Versorgung. Queere Bildung und Sensibilisierung sollte für Ärzt:innen und medizinische Fachangestellte verpflichtend sein. Und wir brauchen einen besser ausgebauten und bezahlbaren ÖPNV, denn viele Queers werden systematisch in die Armut getrieben, weil sie psychisch kaputt gemacht oder bei der Jobvergabe benachteiligt werden. Queerer Kampf ist Klassenkampf! Und vor Allem brauchen wir eine starke antifaschistische Bewegung, die nicht nur auf Demos was von Nazis jagen oder wahlweise verprügeln redet, sondern auch wirklich mal die Faust aus der Tasche bekommt.
Hört auf, Verbündete zu sein. Kommt auf unsere Seite und werden Kompliz:innen!
Queer und Arbeit
In unserem Alltag sind wir als queere Menschen mit vielen Problemen konfrontiert, mit denen viele Cis- und/oder Heterosexuelle nicht konfrontiert sind. Auf der Straße, zu Hause, in der Schule, wenn wir medizinische/psychologische Unterstützung benötigen oder uns an ein öffentliches Stelle wenden müssen, besteht für viele von uns die Gefahr aufgrund unseres sexuellen und romantischen Begehrens oder unserer geschlechtlichen Positionierung Diskriminierung zu erfahren.
Als ob das noch nicht genug wäre, bedeutet Lohnarbeit im kapitalistischen System oft unhinterfragt die Möglichkeit, ausgebeutet und missbraucht zu werden: Einige von uns sind gezwungen ihre Zeit und Energie Menschen ohne Gewissen zu verkaufen, deren einziges Ziel es ist, Geld zu verdienen, auf Kosten anderer.
Manche Arbeitsplätze sind für LGBTQIA+ Menschen nicht sicher, wo Gewalt und Hass von den Menschen ausgehen, mit denen man gezwungen ist, Zeit zu verbringen. An vielen Arbeitsplätzen haben die Chefs eine Art “offizielle Verpflichtung,” eine falsche Solidarität zu üben, denn in unserer “perfekten” und “politisch korrekten” Gesellschaft wurden die Gesetze nicht gemacht, weil das System unsere Existenzen respektiert, sondern aus rein wirtschaftlichen Interessen und um die Empörung und Kritik der Menschen so weit wie möglich zu vermeiden und ihnen einen falschen Anschein von Offenheit zu geben.
Sie wollen, dass wir schweigen. Sie wollen definieren, wie Solidarität zu funktionieren und auszusehen hat, aber nur innerhalb der von ihnen vorgegebenen Grenzen.
Wenn wir aber versuchen, die Dinge zum Wohle der unterdrückten Menschen zu ändern, wenn wir versuchen, echte Solidarität zu zeigen, werden wir meistens von denen angegriffen und kritisiert, die mehr Privilegien haben als wir.
So geschehen an meinem Arbeitsplatz, aber das könnte an jedem Arbeitsplatz passieren: Für den Pride-Monat hatte ich die Idee, eine kleine Aktion in Solidarität mit transsexuellen, nicht-binären und geschlechtsungepassten Menschen durchzuführen. Als cis- Mann, der der Meinung ist, dass privilegierte Menschen den ersten Schritt tun sollten, um ihre Positionierung zu zeigen, und der in einer öffentlichen Kultureinrichtung arbeitet, in einer Ausstellung, die sich mit Vielfalt befassen sollte, hatte ich die Idee, ein Schild mit meinem Pronomen anzubringen. Damit wollte ich den Menschen, die nicht meine Privilegien haben, zeigen, dass sie gesehen werden und wertvoll sind, und es sollte die Möglichkeit bieten, bei Interesse die eigenen Pronomen zu zeigen. Ich wollte versuchen, ein sichereres Umfeld für TIN (trans-intersex-nonbinäre) Menschen zu schaffen, indem ich ein Bewusstsein für Vielfalt zeige, ohne ein “Coming-Out” zu erzwingen. Auf dieses kleine Zeichen der Solidarität antworteten mir viele Kolleg:innen sehr negativ und kritisch, einige antworteten mir, sie seien zwar solidarisch, wollten aber nicht Teil dieser “politischen Aktion” sein, ein anderer fragte mich, ob das nicht kontraproduktiv sei, und andere sagten mir, dass ich das nicht während meiner Arbeitszeit machen könne und dass die Leute, die mir so antworteten, in ihrer Freizeit vielleicht auch andere gute Dinge täten, und versuchten so, ihren Mangel an Empathie und Solidarität zu rechtfertigen.
Es gab auch schlimmere Angriffe: Einige sagten mir, dass sie sich einen Dreck um queere Menschen scheren und dass wir mit unseren Forderungen zu laut seien, und das Schlimmste war ein Mann, der mir sagte, dass meine Art, um Solidarität zu bitten, faschistisch sei, dass ich “die Gender- und Queer-Ideologie verbreiten” wollte. Er verglich mich mit dem Chef der AfD und beschimpfte mich als eine faschistische Tunte.
Glücklicherweise erhielt ich auch eine Art von Solidarität von einigen Kolleg:innen, die, obwohl sie nicht direkt in unseren Kampf involviert sind, verständnisvoll und offen sind, von marginalisierten Menschen zu lernen.
Ich muss ehrlich sein, am Ende wusste ich nicht, wie ich mit den negativen Gefühlen umgehen sollte, die diese Situation in mir auslöste. Ich war einfach nur wütend, weil ich mein ganzes Leben lang ausgeschlossen und diskriminiert wurde, weil ich so bin, wie ich bin, und meine Gefühle als queere Person delegitimiert wurden. Vielerorts wird unser Queersein vom System nur als Show benutzt, um zu zeigen, wie modern und tolerant es ist. Aber wenn wir wirklich versuchen zu zeigen, dass wir uns das nicht gefallen lassen und keinen Bock haben den ganzen Scheiß akzeptieren, den das kapitalistische/heternonormative System von uns verlangt, dann bekommen wir Hass und harsche Kritik.
Solidarität ist kein Produkt, das in eine Ware verwandelt werden sollte, um verkauft oder in einem Museum ausgestellt zu werden.
Echte Solidarität muss jeden Tag gelebt und geübt werden, in jeder einzelnen Situation, in der wir das Gefühl haben, dass unsere Würde und die unserer queeren Mitmenschen und Geschwister nicht respektiert wird.
Aber wie können wir sie aufbauen? Eine einfache Antwort oder Lösung habe ich nicht. Deshalb ist es wichtig, dass ich heute hier bin. Ich möchte euch mit einer Frage zurücklassen. Wie können wir eine sichere und echte queere anarchistische Gemeinschaft aufbauen?
Frei(t)räume
Queere Politik bedeutet immer wieder mit dem Verlust von erkämpften Räumen umzugehen. Dabei machen Staat und Polizei keinen Unterschied, ob sie Wohnräume, Veranstaltungsräume, explizite Schutzräume oder Wagenplätze räumen. Es ist ihnen egal, ob die Menschen, die geräumt werden, eine Ausweichmöglichkeit haben, ob sie auf der Straße stehen, ob es Winter oder Sommer ist oder ob sie mitten in einer Pandemie räumen.
Allein, wenn wir uns die letzten zwei Jahre anschauen, fallen uns unterschiedlichste Beispiele an akut gefährdeten, geräumten, angegriffenen oder verdrängten queeren Räumen ein:
Die Habersaathstraße, ein Wohnprojekt für Wohnungslose, mit einem eigenem Haus für FLINTA*-Personen in der Habersaathstraße 48, das im Jahr 2021 besetzt wurde, ist akut Räumungsbedroht. Letzte Woche wurde die Glitzerverwaltung, eine queeranarchistische Besetzung in Steine im Wendland mit einem hohen Polizeiaufgebot, nach nur zwei Wochen Besetzung geräumt. Mollys queer Wagenplatz musste im Dezember seinen lang belebten Wagenplatz am Ostbahnhof verlassen und ist nun nach Marzahn umgezogen. Am 8. März 2021 hat das Kollektiv Trans*fläche ein Haus als expliziten Schutzraum für trans*, nichtbinäre* und inter* Personen in Essen besetzt, das noch am selben Tag geräumt wurde. In Warschau wurde Ende 2021 das queerfeministische Hausprojekt SYRENA von Menschen aus der linken Szene angegriffen, sodass sie dieses aus Selbstschutz verlassen mussten. Und schließlich wurde die Liebig 34 im Oktober 2020 trotz starker aktivistischer Gegenwehr mitten in der Pandemie mit einem brutalen Bulleneinsatz geräumt.
Vermutlich gibt es noch andere Räume und Orte, die geräumt, verhindert, angegriffen oder verunmöglicht wurden, in anderen Städten und anderen Ländern, die an dieser Stelle genannt werden müssten…
Und nicht nur das, auch dort, wo queere Menschen zusammenkommen, wo sie sich vernetzen, organisieren, feiern oder sich einfach öffentlich zeigen, sind wir der Gefahr von Gewalt, Beschimpfungen, Übergriffen, bis hin zu Mord ausgesetzt.
Die Tatsache, dass queere Räume immer wieder verunmöglicht werden zeigt, dass sie eine Gefahr für den Staat, die kapitalistischen Verhältnisse und für die binäre und heteronormative Ordnung darstellen. Deshalb brauchen wir sie. Unsere Räume haben aber nicht nur eine Relevanz als Gegenorte, sondern sie sind auch Schutzräume, Orte des Austausches, der Vernetzung, der gegenseitigen Solidarität, der Organisierung. Es sind Orte in denen wir andere Lebensweisen leben und ausprobieren. Es sind Räume in denen wir zumindest situativ versuchen Träume praktisch lebbar zu machen. Eine queerfeministische Praxis bedeutet, um diese Räume zu kämpfen und sie zu verteidigen, aber auch immer wieder zu versuchen uns diese Räume zurückzuholen oder neu zu schaffen.
Auch wenn dies heute nur eine Kundgebung ist, ein zeitlich begrenzter Raum, ist es der Versuch einen solchen Ort im Hier und Jetzt zu schaffen, auch als Ausgangspunkt für weitere Kämpfe und Projekte. Hier begonnene Gespräche können an anderen Orten weitergeführt werden, Ideen spinnen sich weiter auch über diesen Tag hinaus. Dabei gibt es nicht die eine Form, wie queeranarchistische Praxis auszusehen hat. Sie geschieht in verschiedenen Räumen und auf unterschiedliche Weisen, und wir brauchen sie alle: Den Infoladen, in dem wir Materialen und Zines austauschen und uns vernetzen. Das Beratungscafé, in dem wir uns gegenseitig supporten können außerhalb staatlicher Strukturen. Die militante queeranarchistischen Besetzung, die Wohnraum und Veranstaltungsräume schafft und unsere Ideen lebbar macht und nach außen trägt. Die queere Party, auf der wir loslassen und zusammen tanzen können. Die Wohnprojekte, die uns einen Schutzraum und Momente des Ausruhens geben. Und die Straße, auf der wir zusammenkommen und gemeinsam kämpfen.
Trans-Rechte und Gegenreaktionen
Heute ist ein Tag des Feierns, aber auch des Protests. Es ist wichtig, unsere Erfolge zu feiern, aber auch über die Probleme zu sprechen, mit denen unsere Community konfrontiert ist.
In den letzten Jahren hat die Trans-Community einen Anstieg der Repräsentation und eine wachsende Akzeptanz erlebt. Dies führte jedoch auch zu einem gewalttätigen Backlash gegen diese neu gewonnenen Rechte und Sichtbarkeit. In den USA und im Vereinigten Königreich haben wir bereits den Aufstieg von Faschisten, Konservativen und so genannten transfeindlichen “Feminist:innen” gesehen, die ständig versuchen, trans Menschen als Bedrohung für die Gesellschaft darzustellen und unsere Existenz auszulöschen. Und sogar einige so genannte Linke sehen unseren Kampf für Emanzipation als bloße Ablenkung von wichtigeren Themen oder als Versuch, die Linke durch “Identitätspolitik” zu spalten.
In Deutschland hat die rechte Zeitung Die WELT einen Artikel gegen die Kindersendung Sendung mit der Maus veröffentlicht, in dem sie behauptet, dass diese versucht, Kinder zu sexualisieren und einer Gehirnwäsche zu unterziehen, indem sie die sogenannte Trans-Ideologie verbreitet. Die Gruppe, die den Artikel veröffentlicht hat, bezeichnet sich selbst als Expert:innen für das Thema, obwohl sie es eindeutig nicht sind. Sie versuchen, die Wissenschaft als Vorwand zu benutzen, um ihre konservative und hasserfüllte Rhetorik zu verbreiten, während sie behaupten, sie würden Objektivität und Meinungsfreiheit verteidigen.
Grundlage für den Artikel ist ein offener Brief auf der Website der Politikerin der Grünen Eva Engelken, der von insgesamt 120 Personen unterzeichnet wurde und die “Indoktrination” von Kindern und Jugendlichen durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anprangert. Unterschrieben haben dies zahlreiche Wissenschaftler:innen, einige von ihnen sogar Professor:innen an Berliner Universitäten. In ihrem Text sprechen sie von “Abschaffung der Kultur,” einem “Denkverbot” und “Gehirnwäsche,” dieselben Worte, die von Faschos und Rechten seit jeher verwendet werden, um marginalisierte Gemeinschaften wie Frauen, queere Menschen und BIPoCs anzugreifen und zu diskreditieren.
Italien ist zwar nicht so fortschrittlich wie Deutschland, aber auch dort nehmen transfeindliche Gefühle zu. Erst letzten Monat wurde eine trans Lehrerin, Cloe Bianco, nach ihrem Coming-Out entlassen, kollektiv geächtet und schließlich in den Selbstmord getrieben.
Das ist nichts Neues. Es ist buchstäblich eine der ältesten Taktiken der reaktionären Propaganda: unsere bloße Existenz und Sichtbarkeit als Indoktrination und als Versuch darzustellen, unsere Gesellschaft, wie wir sie kennen, zu zerstören. Sie haben Angst, dass der Zugang zu mehr Rechten, Akzeptanz und medizinischer Versorgung für trans Menschen zu einem radikalen Wandel der Gesellschaft führen wird, den sie nicht aufhalten können. Und seien wir ehrlich: Sie haben Recht.
Denn der Kampf um Trans-Rechte betrifft nicht nur Trans-Menschen. Er bedeutet, dass wir unser Verständnis von Geschlecht verändern und über das koloniale, von weißer Vorherrschaft geprägte Konzept binärer Geschlechter und Geschlechterrollen hinausgehen müssen. Es bedeutet, dass wir unsere Körper neu überdenken und den Menschen volle Körperautonomie zugestehen. Es bedeutet, sich von den Stereotypen zu befreien, wie Körper aussehen, funktionieren sollten und im Kapitalismus ausgebeutet werden. Es bedeutet, das Geschlecht als soziales Konstrukt zu hinterfragen und sich manchmal in unserer eigenen fließenden, menschlichen Identität verloren zu fühlen.
Trans-Rechte betreffen nicht nur trans oder inter Menschen, sondern auch cisgeschlechtliche Menschen. Ich habe gesehen, wie sich mehrere cis Freund:innen von mir freier und wohler mit ihrem eigenen Geschlecht fühlen—sie experimentieren mit neuen Namen, Pronomen und Geschlechtsausdrücken. Unser Kampf hat ihnen den Mut und die Freiheit gegeben noch mehr als ihr authentisches Selbst zu leben.
Und an die transfeindlichen Linken, die meinen, dass sich trans Menschen nur für ihre eigenen Kämpfe interessieren: Der Kampf für unsere eigene Befreiung hindert uns nicht daran, uns auch um andere Dinge zu kümmern. Die meisten trans Menschen, die ich kenne, sind aktiv im Kampf für Umwelt- und Landrechte, gegen Gentrifizierung und Rassismus, für Barrierefreiheit, gegen den Aufstieg vom Faschismus und vieles mehr.
Unsere eigenen Kämpfe und die Diskriminierung, mit der wir konfrontiert sind, dienen uns oft als Plattform, um unsere Empathie für andere zu erweitern. Wir sind kein neoliberaler Strohmann, dem es an politischem Bewusstsein mangelt. Wir sind kein Trend und die meisten von uns streben nicht nach einem neoliberalen Lebensstil. Wir wollen einen echten, radikalen Wandel.
Sexualisierte Gewalt in queeren linken Szenen
Heute soll es ja auch um anarchistische Beziehungen gehen und deshalb werde ich mich einem Thema zuwenden, dass oft als ein schwieriges Thema empfunden wird, aber wichtig ist, wenn es um Beziehungen geht: Sexualisierte Gewalt. Und zwar in unseren queeren bzw. queer-feministischen Szenen. Wer jetzt nicht zuhören will, kann sich den Beitrag später auch noch auf der Webseite ansehen und ausdrucken oder ein Zine mitnehmen und an den Kühlschrank hängen.
Ich spreche zu Euch als Person, die sich seit Jahren mit dem Thema auf unterschiedlichen Ebenen beschäftigt, sowohl als unterstützende Person, für Leute, die betroffen sind, als forschende und neugierige Person, ich bin als DJ so wie heute auf Partys unterwegs und kriege einiges mit, ich werde privat angesprochen, wenn Leute sich austauschen wollen, weil sie wissen, dass ich mit damit beschäftige. Ich hab selbst auch scheiße erlebt und selbst auch schon scheiße gebaut. Vor dem Hintergrund all dieser Erfahrungen möchte ich Euch ein zwei Vorschläge machen. Der erste lautet: Sexualisierte Gewalt von der Betroffenheit aus denken.
Sexualisierte Gewalt ist etwas, dass real vielen Leuten passiert, queer durch alle Geschlechter und Schichten. Wir sind hier in der Szene schlau, cool und aufgeklärt und denken, das passiert uns nicht—das hab ich auch mal gedacht. Stimmte aber nicht. Und wenn Dir was blödes passiert, ist es geil, wenn jemensch zuhört und keine Angst hat und nicht mit Abwehr reagiert. Als von sexualisierter Gewalt betroffene Person kannst Du Dir meist nicht mehr aussuchen, ob du dich damit beschäftigen willst—den Luxus hast du nicht mehr. Die meisten Leute vertrauen sich erstmal ihren Freund:innen an—und müssen ein paar Anläufe unternehmen, bis jemensch zuhört. Das ist anstrengend. Wenn wir ein befreiteres Leben für alle wollen, dann sollten Betroffene da eingeschlossen sein. Deshalb braucht es mehr Leute, die zuhören und keine Angst haben.
Sexualisierte Gewalt hat viel gemeinsam mit anderen Gewaltformen, mit denen wir uns ja oft ganz gut auskennen, wenn wie als queere Anarchist:innen für eine herrschaftsfreiere Gesellschaft kämpfen. Und da können wir anfangen. Allgemein haben Gewaltakte zwischen Menschen gemeinsam, dass sie eine Asymmetrie schaffen: Durch Erniedrigung, Nicht-Anerkennung und Missachtung erhöht sich die eine Person über die Andere. Oder strukturelle Unterdrückungsverhältnisse wie Sexismus, Rassismus oder Queerfeindlichkeit, die ja schon auf Asymmetrien (also einer Ungleichwertigkeit) basieren, können bei Gewalthandlungen genutzt werden und darauf aufbauen. Wir kennen wahrscheinlich alle das Beispiel mit dem angeblich zu kurzen Rock, aufgrund dessen sich dann seine Trägerin oder sein Träger nicht über einen Übergriff wundern soll. Solche Argumentationen normalisieren Sexismus und legitimieren Übergriffe, indem der betroffenen Person gesagt wird, sie hätte ja einkalkulieren müssen, dass die Gesellschaft sexistisch funktioniert. Ähnliche Argumentationsmuster begegnen mir bei Übergriffen auf schwulen Sexparties, als hätte mensch mit dem Eintritt eine Risikovereinbarung unterschrieben, dass von Übergriffen auszugehen ist und dass sich hinterher mal bloß keiner beschwert. Selbstverständlich können wir einander erlauben, unsere Körper zum Lustgewinn zu nutzen. Dazu brauchen wir irgendeine Kommunikationsform, wenn wir die hinkriegen, dann sind wir auf Augenhöhe. Ein Übergriff stellt hingegen eine Asymmetrie her und spricht mindestens einer Person das Recht auf diese Augenhöhe ab.
Das Besondere an sexualisierter Gewalt ist nun, dass sie im Bereich des Sexuellen und Intimen wirkt, und insbesondere den Körper, die sexuelle und/oder geschlechtliche Lebensweise und das Selbstverständnis einer Person angreift. Dabei kann sexualisierte Gewalt in verschiedenen Formen daherkommen: Das können Beleidigungen, Exotisierungen oder übergriffige Fragen nach Sexualpraktiken sein, weil mensch als queer lebende Person als Infobox für neugierige heterosexuelle oder cis-geschlechtliche Personen herhalten soll. Sexualisierte Gewalt ist auch, wenn Trans* und Inter*Leute ungebeten nach ihren Genitalien gefragt werden. Sexualisierte Gewalt ist auch, sich lustig zu machen über Sextoys, die einer anderen Person wichtig sind. Sexualisierte Gewalt ist auch, beim Cruisen attackiert zu werden. Wir haben die Demo letztes Jahr am Volkspark Friedrichshain begonnen, weil es dort zu Übergriffen gegen Schwule kam. Im letzten Sommer trafen sich auch Frauen, Lesben, Trans*, Inter* und Nicht-Binäre Menschen zum Cruisen in der Hasenheide. Und jetzt glaubt mal nicht, mensch könnte mitten in Berlin unbehelligt in einer größeren Gruppe ohne eine entsprechende Anzahl männlich gelesener Begleiter sitzen—kann mensch nicht, es kam zu Belästigungen und Konflikten.
Mein zweiter Vorschlag ist: Be prepared. Bereitet Euch vor. Was ich beobachte, wenn ein Übergriff in Politgruppen und Szenestrukturen offengemacht wird: Die meisten Gruppen sind darauf nicht vorbereitet und müssen dann in der Situation ein Umgehen entwickeln. Der Gewaltakt an sich ist meist schon kompliziert genug, wenn mensch dann noch Unterstützungsgruppen für Betroffene und gewaltausübende Personen organisieren muss, eine Mediation für die ganze Gruppe, die Grabenkämpfe in Schach halten will, die zwangsläufig entstehen, wenn Freundschaften und Loyalitäten im Spiel sind, dann ist es kein Wunder, wenn alles auseinanderfliegt. Anarchistischen Gruppen wird ja eine gewisse Vorliebe für Strukturlosigkeit nachgesagt, aber Strukturlosigkeit schützt vor allem die, die meinen, sich nicht mit Machtverhältnissen auseinandersetzen zu müssen und damit Normen setzen und aufrechterhalten—und das sind in der Regel die, die nicht über sexualisierte Gewalt reden wollen, solange sie nicht selbst betroffen sind. Manche Betroffene sagen mir, dass die Reaktionen des Umfeldes eigentlich schlimmer waren als der Akt der sexualisierten Gewalt selbst. Weil so viel Vertrauen zerstört wurde, weil nicht anerkannt wurde, was sie erlebt hatten. Weil niemensch für sie eingetreten ist. Das sollte nicht so bleiben. Mensch kann sich bilden und sich einige grundlegende Schritte als Person, Gruppe, WG, Freundeskreis überlegen im Falle eines Übergriffs. Es hilft auch schon, sich selbst nochmal anzuschauen, wo wir scheiße erlebt und scheiße gebaut haben, und eine Klarheit mit uns selbst zu entwickeln, um handlungsfähig zu sein.
Wir starten da nicht bei Null. Dank der Arbeit von Betroffenen und Überlebenden und ihrer Freund:innen haben wir dazu einiges, auf das wir zurückgreifen können: ein Netz aus Beratungsstrukturen für gewaltbetroffene wie auch gewaltausübende Personen, es gibt viel Wissen zum Thema, es gibt Broschüren im Netz, es gibt Mediator:innen für Gruppenprozesse und Workshops. Wir sind mit dem Thema nicht allein und dafür kann mensch auch echt mal Danke sagen. Von daher würde ich Euch und uns gerne ermutigen, sich mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Denn sexualisierte Gewalt ist kein Problem Einzelner, sie ist das Problem von uns allen, wenn wir das mit der Herrschaftsfreiheit ernst meinen.
Danke.
Anarchistische Beziehungen
Heute ist der ACSD. ACSD bedeutet aber nicht nur, dass wir zusammenkommen, um über verlorene Orte zu trauern oder die beschissenen, normativen und gewaltvollen Zustände anzuklage.
ACSD bedeutet auch, dass wir uns feiern: Für unsere Lebensweisen, für unsere Art uns zu organisieren, zu vernetzen, zusammenzukommen. Für die Art, wie wir leben und lieben, gegen alle Widerstände.
Queerer Anarchismus bedeutet für Beziehungsweisen zu kämpfen, die nicht der Logik einer exklusiven heterosexuellen Zweierbeziehung entsprechen.
Exklusive Zweierbeziehungen in der nur jeweils eine Person im Leben nach dem Prinzip “Du gehörst zu mir” priorisiert wird, funktioniert gemäß einer kapitalistischen Logik von Besitz.
Ebenso basiert dieses Prinzip auf emotionalen und materiellen Abhängigkeiten. Diese können Zu Kontrolle oder auch Gewalt führen. Die Exklusivität der Zweierbeziehungen führt dazu, dass Freund*innenschaften sich nicht trauen, die Partner:innenschaft zu kritisieren oder sich einzumischen. Die Privatsphäre gilt immer noch als etwas, dass nicht angerührt werden darf, egal wie offentsichtlich gewaltvoll die Verhältnisse sind.
Der Spruch ist alt, aber immer noch aktuell: Das Private ist politisch!
Für einen queeren Anarchismus zu kämpfen, bedeutet auch für andere Beziehungsweisen zu kämpfen.
Wir führen keine Beziehungen, weil wir jemanden gehören, sondern weil wir uns zugehörig fühlen. Wir führen Beziehungen, weil wir lieben—freiwillig und selbstbestimmt.
Beziehungen sollten nicht auf normativen Vorstellungen und vertraglichen Regelungen, wie der Ehe basieren, sondern auf Konsens, gemeinsamen Vereinbarungen, die auch immer wieder veränderbar sind.
Jede Beziehung ist anders, individuell unterschiedlich und unabhängig.
Was eine Beziehung bedeutet, wie sie sich gestaltet, bestimmen allein die Personen, die Teil dieser Beziehung sind. Egal ob zwei oder mehrere Personen, egal ob aromantisch, pan, queer. Anarchistische Beziehungen führen, bedeutet Beziehungen als Beziehungen anzuerkennen, egal wie nah Menschen miteinander sind, ob sie Sex haben, wie sie Sex haben, wie häufig oder auch gar nicht.
Wir kämpfen dafür, dass Menschen sich gemeinsam in Beziehungen ausprobieren können, entdecken können, unabhängig von Normen oder gesellschaftlich anerkannten sexuellen Vorstellungen.
Wir kämpfen dafür, dass Menschen unabhängig ihrer Körper, Geschlechtszugehörigkeit und Begehren sich dafür oder dagegen entscheiden können, Kinder groß zu ziehen und Familien zu gründen ohne sich unbedingt reproduzieren zu müssen.
Wir kämpfen dafür, dass Menschen Menschen als ihre Wahlfamilien wählen könne, mit denen sie sich sicher fühlen und so sein können, wie sie sein wollen. Mit den Körpern, Pronomen, Geschlechtern, die sie wollen.
Wir kämpfen gegen die Stigmatisierung von Begehren und für mehr Perversion.
Wir kämpfen dafür, dass wir selbst bestimmen können, wie wir leben, wen wir lieben, begehren—egal wie und wie viele.
Wir bleiben unseren Motto treu: queer, pervers und arbeitsscheu.
Rattenchor, Teil 2
Katjuscha
Raszwetali jabloni i gruschi,
Poploili tumanoi nad rekoj.
Wychadila na bereg Katjuscha,
Na woissoki bereg na krutoj.
Wychadila, pesnju sawadila
Pro stepnowa, sisawa arla,
Pro tawo, katorawa ljubila,
Pro tawo, tschji pisma beregla.
Leuchtend prangen ringsum Apfelblüten,
übers Land kam Terror per Gesetz;
Lesbisch-Schwules Leben zu verbieten
Menschen werden durch die Stadt gehetzt.
Russlands Medien ist verordnet Schweigen,
Bücher, Filme, gibt es fortan nicht;
Homos dürfen keine Liebe zeigen,
hart bestraft wird, wer darüber spricht.
Faschos prügeln Schwule in den Gassen,
Polizei ist gerne mit dabei.
nehmen dann die Opfer fest und lassen,
Täter laufen, diese bleiben frei.
Dunkle Zeiten, Russland wird gepeinigt,
durch die unheilige Allianz.
orthodoxe Kirche vereinigt, mit
Putins dumpfer Macho-Arroganz
Armes Russland, wohin willst du gehen
Staat und Kirche, alles Korruption
Ist ein Regenbogen zu sehen
stürtzt der Putin bald von seinem Thron.
Wir Ratten, vereinigt!
wir Ratten, vereinigt, wir mögen Polizei nicht!
wir Ratten, vereinigt, wir mögen Polizei nicht!
Steht auf und singt: ein neues Lied beginnt
Ein neuer Tanz, wer mit uns tanzt gewinnt.
vereint aktiv besiegen wir den Mief
komm Schwester, kämpf, dass wir bald Siegerinnen sind
In unserm Lied der rosa Morgen blüht
die Stöckelfahne glüht im wilden Wind
Ihr Tunten kämpft, das Licht wird nicht gedämpft,
geht nicht konform, wir scheissen auf die Norm
und zwickt das Kleid, tut uns das niemals leid
oft drückt der Schuh, wir geben’s nur nicht zu - und tragen
selbstbewusst das Kinn über der Brust
auf eure Ordnung ha’m wir keine Lust!
jetzt werden die Ratten sich erheben im Kampfe
und singen und singen mit mächtiger Stimme
wir Ratten, vereinigt, wir mögen Polizei nicht!
wir Ratten, vereinigt, wir mögen Polizei nicht!
Statt auszuruhn, ha’m wir noch viel zu tun!
Wo bleibt das Recht, auf mehr als ein Geschlecht?
Faschistenpack, wir kriegen euch am Sack,
der wird verdreht, bis ihr den Regenbogen seht!
Wir schaffen uns die schöne neue Welt
was ihr hier macht, das ha’m wir nicht bestellt
Ihr Tunten kämpft, das Licht wird nicht gedämpft,
geht nicht konform, wir scheissen auf die Norm
und zwickt das Kleid, tut uns das niemals leid
oft drückt der Schuh, wir geben’s nur nicht zu - und tragen
selbstbewusst das Kinn über der Brust
auf eure Ordnung ha’m wir keine Lust!
jetzt werden die Ratten sich erheben im Kampfe
und singen und singen mit mächtiger Stimme
wir Ratten, vereinigt, wir mögen Polizei nicht!
wir Ratten, vereinigt, wir mögen Polizei nicht!
Keine Angst, c’est la vie!
Rassisten ziehen durch das Land
Verbreiten Angst und Tod
Die Politik hat’s früh erkannt
Zu voll ist unser Boot!
O, seht nicht hin, o, seht nicht hin,
Gleich tritt er zu, der Nazi-Skin
Die Toten stör’n nur mittelbar:
Der Ruf ist in Gefahr!
Das kann doch die Gesellschaft nicht erschüttern,
Keine Angst, keine Angst, c’est la vie!
Wir lassen uns das Leben nicht verbittern,
Keine Angst, keine Angst, c’est la vie!
Und wenn ein Mord das Land erschrickt,
Wird einfach noch ein V-Mann reingeschickt!
Das kann doch die Gesellschaft nicht erschüttern,
Keine Angst, keine Angst, Germanie
Dann gab es wieder einen Mord
Rassistisch das Geschrei
Die Presse schrieb von Döner-Mord
Die Nazis blieben frei
Die Staatsmacht schaute zu
Die Bürger schauten weg
So tun alle ihre Pflicht
Und fürchten sich nicht!
Das kann doch die Gesellschaft nicht erschüttern,
Keine Angst, keine Angst, c’est la vie!
Wir lassen uns das Leben nicht verbittern,
Keine Angst, keine Angst, c’est la vie!
Und wenn ein Mord das Land erschrickt,
Wird einfach noch ein V-Mann reingeschickt!
Das kann doch die Gesellschaft nicht erschüttern,
Keine Angst, keine Angst, Germanie
Raumfregatte
Mmmmmmh
Ohhhhhhhhh
Yeahhhhhhh
(Refrain)
There’s no limit, there’s no limit, there’s no limit,
there’s no limit, there’s no limit, travel with the Gender Star.
Gestern noch ein Traum, heute Wirklichkeit,
dieses Wochenende zwischen Raum und Zeit,
uh-uh-uuh, auf der Raumfregatte Gender Star.
Ein noch nicht entdecktes neues Reiseziel,
superstark perfektes Weltraumgleitgefühl,
uh-la-la, auf der Raumfregatte Gender Star.
Komm mit auf den Tripp zur Utopia
non-binäre queer-Galaxie
hier kann jedes das sein, wie es sich
im Augenblick grad fühlt.
(Refrain)
Ab geht die Rakete, hallo Sternenstaub,
Glitzerglücksgefühl, Realitätsurlaub,
uiuiuiii, auf der Reise mit der Gender Star.
...
uiuiuiii, auf der Reise mit der Gender Star.
Wir verlassen jetzt die Umlaufbahn,
Verwertungslogik und Wachstumswahn
wir fangen einfach mal was Neues an,
Kurs auf Utopia!
(Refrain)
Bye, bye, Erde, Hey, Utopia,
tausend Abenteuer sind schon lange da,
uh-uh-uuh, auf der Raumfregatte Gender Star.
uh-uh-uuh, auf der Raumfregatte Gender Star.
1 - there’s no, - there’s no, there’s no limit
2 - there’s no, - there’s no, there’s no limit
...
10 - there’s no, - there’s no, there’s no limit
Die Ermordung von Zak Kostopoulos
Ich bin Ilias Gkionis aka GingerEla, Menschenrechtsaktivist und Dragqueen aus Griechenland.
Am Freitag, den 21. September 2018 wurde mein Mitbewohner und Drag Mother Zak Kostopoulos am helligten Tag im athener Stadtzentrum brutal und in aller Öffentlichkeit ermordet. Zak war HIV postiv, Antifaschist und LGBTQI+ Aktivist. Er wurde von “friedliebenden Bürgern” unter den Augen und mit Hilfe der griechischen Polizei ermordet. Auf seinen Tod folgte eine beispiellose Vertuschung der Tat, gezielte öffentliche Fehlinformation und eine Revictimisierung des Opfers.
Dutzende von Gaffern haben die Gruppe von Männern tatenlos dabei beobachtet, wie sie den bereits am Boden liegenden Kostopoulos brutal attackierte. Kostopoulos hatte zuvor aus weiterhin unbekannten Gründen das Juweliergeschäft eines der Angreifer betreten, aus dem er aufgrund des verschlossenen Ausgangs nicht mehr hinaus konnte. Als die Polizei eintraf, nahm sie den bereits schwer verletzten Kostopoulos gewaltsam fest. Er wurde von neun Polizeibeamten zu Boden gedrückt und weiterhin geschlagen. Als Kostopoulos mit Handschellen gefesselt im Krankenhaus eintraf, war er bereits tot.
Die Ermordung von Zak Kostopoulos wurde von zahlreichen Passanten beobachtet. Die Polizei unternahm wenig, um die Umstände des Todes von Kostopoulos zu untersuchen. Die aufgenommenen Zeugenaussagen waren unvollständig, ebenso die gesicherten Handyaufnahmen und Videos von Überwachungskameras.
Die Angreifer wurden nicht umgehend festgenommen, der Tatort nicht versiegelt und dem Besitzer des Juweliergeschäfts die Möglichkeit gegeben, den Tatort zu reinigen und mögliche Beweismittel zu vernichten.
Die Medien, die im Besitz von deutlich umfassenderem Bildmaterial waren als die Polizei, verschärften die Situation durch die Verbreitung stereotypisierender Narrative, in einem Bereits problematischen politischen Kontext. Vor dem Hintergrund dieses sozialen und politischen Versagens und angesichts des Widerwillens der Polizei, selbst zu ermitteln, wurden zivilgesellschaftliche Initiativen (wie #JusticeforZakZackie) ins Leben gerufen, um eine unabhängig Untersuchung voranzutreiben und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Der letzte Prozesstag fand 2022 statt, knapp fünf Jahre nach dem Verbrechen.
Zwei Männer, Spyridon Dimopoulos, and Athanasios Chortarias, wurden der schweren Körperverletzung mit Todesfolge für schuldig befunden und zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die zehn angeklagten Polizeibeamten wurden alle ausnahmslos in allen Anklagepunkten freigesprochen.
Der Mord an Zak war ein Akt der Barbarei und der wachsenden Faschisierung der Gesellschaft. Wir fordern Gerechtigkeit. Wir werden kämpfen, bis die Schuldigen bestraft sind. Wir kämpfen gegen Faschismus und Normativität.
Our lives matter.
Rivolta Pride
Ich möchte euch nun das Statement der Orgagruppe der Rivolta Pride, die am 25. Juni 2022 in Bologna stattfand, vorlesen, in dem Stellung dazu genommen wird, warum die Polizei bei Pride-Veranstaltungen nicht willkommen ist:
Wenige Tage vor der Rivolta Pride möchten wir alle Missverständnisse bezüglich der Teilnahme des Vereins Polis Aperta an der Demonstration, die am 25. Juni durch die Straßen von Bologna ziehen wird, ausräumen.
Rivolta Pride ist das Ergebnis eines Bottom-up-Prozesses, an dem Dutzende von Vereinigungen, Einzelpersonen und LGBTQIAP+-Realitäten beteiligt waren und der anlässlich der #moltopiudizan Mobilisierung entstand. Wir haben uns in Anlehnung an die Nacht des 28. Juni 1969 im Stonewall Inn Revolte genannt, als eine Gruppe von Trans- und Queer-Personen gegen eine weitere Razzia der New Yorker Polizei gegen die Queer-Community im Stadtteil Greenwich revoltierte und die erste Pride in der Geschichte ins Leben rief.
Dieser Geist ist es, der Rivolta Pride immer noch beseelt, der Wille zur Rebellion gegen alle Machtsysteme, getragen von den am meisten marginalisierten Teilen der Gesellschaft: Transmenschen, Crossdresser:innen, Schwarze und Latinen, Sexarbeiter:innen, Queere Menschen, Lesben, Menschen ohne Papiere, die Subjektivitäten, die am meisten unter der gewaltsamen Unterdrückung durch das Gesetz gelitten haben und immer noch leiden.
Das Manifest von Rivolta Pride enthält Elemente der politischen Haltung des Anti-Gefängnis-Feminismus, gegen Strafmaßnahmen als Gegenmittel gegen patriarchale Gewalt, die Anerkennung von Sexarbeit als Arbeit, die Kritik am institutionellen Rassismus, der die Existenz von Migrant:innen kriminalisiert. Diese Personenkreise werden weder durch das Gesetz noch durch die Polizei geschützt, wie die zahlreichen Fälle von Femiziden und sexueller Gewalt, von Gewalt in Gefängnissen und Aufnahmezentren zeigen, die oft auch nach Anzeigen nicht anerkannt werden. Die jüngsten Daten von OSCAD, der Beobachtungsstelle der Polizei und der Carabinieri für die Sicherheit vor diskriminierenden Handlungen, vermitteln uns ein Bild der Realität, das nicht dem entspricht, was wir täglich erleben: für das Jahr 2020 meldet die nationale Beobachtungsstelle nur einen Fall von Mord im Zusammenhang mit sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität, während das Netzwerk TGEU (Transgender Europe) für dieses Jahr mindestens vier Trans-Morde meldet.
Auch die Fälle von sexueller Gewalt, Aufstachelung zu Hass und Körperverletzung werden, gelinde gesagt, zu wenig gemeldet: insgesamt nur 61 Fälle. Rivolta Pride will auch ein Raum für diese Menschen sein, wo sie ihre Freiheit einfordern können und in einem sicheren Raum marschieren können.
Wir als Rivolta Pride erkennen wir an, dass Homolesbotransfeindlichkeit an allen Arbeitsplätzen präsent ist, auch bei der Polizei und der Strafverfolgung. Im Gegenteil, gerade in diesen Bereichen kommt es häufig zu Diskriminierungen, die durch ein von Machismo und Machogehabe geprägtes Umfeld wie das der Kaserne, begünstigt werden.
Aus diesem Grund möchten wir klarstellen, dass unsere Haltung nicht gegen Polis Aperta gerichtet ist, sondern eine offene Kritik an der Polizei als Institution und als Nährboden für sexistische, homobitransfeindliche, ableistische und rassistische Gewalt darstellt. Wir halten es für notwendig, ein ernsthaftes Nachdenken über die Frage der Polizei und der Streitkräfte und die Diskriminierung, die unsere Gemeinschaft erfährt, einzuleiten. Sichere Räume werden von Queers geschaffen, die sie gestalten, durch Selbstorganisation, gegenseitige Fürsorge und den Aufbau von Safer places, in denen versucht wird, die eigenen Vorstellungen von heteropatriarchaler Gewalt zu befreien.
Über Griechenland
Die Jahre der Pandemie waren für uns alle besonders schwierig. Unsere Genoss:innen in Griechenland haben zwei Jahre lang unter unzureichender Gesundheitsversorgung gelitten zusammen mit ständiger staatlicher Unterdrückung. Obwohl das Gesundheitssystem extrem überfordert war und ist, hat die rechte griechische Regierung das Coronavirus-Budget für die Einstellung von Tausenden von Sicherheitskräften verwendet. Diese griffen immer wieder gewaltsam Menschen an, die sich im öffentlichen Raum versammelten. Immigrant:innen, die meisten von ihnen People of Color, waren die ersten, die darunter litten. Viele von ihnen waren trotz des Lockdowns gezwungen weiterzuarbeiten oder ihren prekären Lebensbedingungen in überfüllten Wohnungen zu entfliehen. Queere Leute und Trans-Menschen waren auch auf der weniger privilegierten Seite, da sie besonders von der Isolation und dem fehlenden Zugang zu grundlegenden Gesundheitsversorgung betroffen waren, da die meisten Gesundheitsdienste unterversorgt und überfordert waren.
Während die konservative Regierung nichts unternahm, um die Bedürfnisse der die LGBTQIA+ zu erfüllen, erlitt diese Community zusätzlich tödliche Verluste mehrerer ihrer Mitglieder und damit einhergehend große Ungerechtigkeit. Das Gerichtsverfahren gegen Zak Kostopoulos endete mit einem enttäuschenden Urteil: die beiden Männer, die Zak angriffen wurden zwar wegen schwerer Körperverletzung fverurteilt, aber nicht wegen Mordes. Die Polizisten, die Zak schlugen und mit Handschellen fesselten wurden für unschuldig befunden und es kann keine Berufung eingelegt werden.
Ein weiterer Fall ist Dimitra: Sie war eine Transfrau, die auf Lesbos lebte und dort von Ihrer Familie und der lokalen Gemeinschaft diskriminiert und ausgegrenzt wurde. Vor einem Jahr verschwand sie und zwei Monate später wurde ihre Leiche in Athen gefunden, nachdem sie von einem Auto überfahren worden war. Es stellte sich heraus, dass während der Zeit, in der sie als vermisst galt, die Behörden keinerlei Anstrengungen unternahmen, um sie zu identifizieren. In den Mainstream-Medien und von ihrer Familie wurde sie ausschließlich mit männlichen Pronomen und Namen bezeichnet. Es ist möglich, dass der Täter ein transphobisches Motiv hatte.
Der erste Prozess der griechischen #metoo Bewegung endete mit nur geringen Verurteilungen und in den laufenden Verfahren sind die juristischen Behörden sehr zurückhaltend im Akzeptieren der Aussagen der Frauen. Wir werden weiterhin für unsere Rechte als LGBTQI+-Menschen kämpfen! Wir werden weiter für Sicherheit auf den Straßen und die Gerechtigkeit auf der Straße kämpfen!
Für Solidarität mit unseren kämpfenden queeren Genoss:innen in den Gerichtsverfahren in Griechenland und überall auf Welt!
Keine Polizeiwache am Kottbusser Tor!
Gesellschaftliche Lösungen für soziale Probleme statt Polizeigewalt und Videoüberwachung. Der Senat hat beschlossen, direkt am Kotti im Neuen Kreuzberger Zentrum (NKZ, in den Räumen des ehemaligen Tipico direkt über der Adalbertstraße) Anfang 2023 eine feste Polizeiwache mit flächendeckender Videoüberwachung zu eröffnen. Ein Mietvertrag ist schon unterschrieben. Die Situation am Kotti ist nicht einfach. Viele Menschen mit vielfältigen Problemen nutzen diesen Ort. Dies führt auch zu Belastungen für die Anwohner*innen, zu Wut und Frustration. Mehr Polizei—etwa eine neue Polizeiwache am Kotti—trägt aber nicht zur Lösung der Probleme bei, sondern bedeutet selbst eine Gefahr, etwa durch rassistische Polizeigewalt. Mehr Polizei würde die Situation am Kotti nicht verbessern, sondern die Probleme bestenfalls verdrängen. Die Probleme am Kotti resultieren vor allem aus Ausgrenzung, Rassismus, Armut, Obdachlosigkeit und fehlender sozialer Infrastruktur. Für alle diese drängenden Fragen hat der Berliner Senat keine Antworten. Statt Armut zu bekämpfen, soll Armut verdrängt werden—etwa durch eine neue Polizeiwache am Kotti. Hier soll alleine die Einrichtung knapp 4 Millionen Euro kosten, hinzu kommen jährliche Kosten von mindestens 600.000 Euro. Wir brauchen mehr Geld für soziale Infrastruktur und nicht für noch mehr Polizei. Schon heute gibt es am Kotti viel zu viel Polizeigewalt—und keine einzige öffentliche Toilette. Die Pläne des Senats werden von allen lokalen Akteuren am Kotti rundweg abgelehnt. Es ist nun an uns, gemeinsam die geplante Polizeiwache am Kotti zu verhindern. Noch dieses Jahr möchte der Senat außerdem durch eine entsprechende Gesetzesänderung die breitflächige Videoüberwachung des öffentlichen Raumes in Berlin durch die Polizei ermöglichen. Auch hier werden wir versuchen, die Pläne des Senats, die nur auf noch mehr Ausgrenzung, Überwachung und Kontrolle hinauslaufen, zu verhindern.
Community Bauen
In den USA und im Vereinigten Königreich nehmen Trans- und Homofeindlichkeit rapide zu. Es werden Gesetze erlassen, um trans Athlet:innen die Teilnahme am Sport zu verwehren, um trans Schüler:innen daran zu hindern, ihr Geschlecht von Lehrern anerkennen zu lassen, und um trans Jugendlichen und sogar Erwachsene den Zugang zu Pubertätsblockern und Hormontherapie zu verwehren. Die Rechtsextremen verbreiten die Rhetorik, dass alle trans Menschen und Drag Queens/Kings Groomers sind. Sie wollen alles, was nicht der Geschlechternorm entspricht, als abartig und pädophil verbieten. Infolgedessen nimmt die gewalttätige Rhetorik zu - vom subtilen Völkermord, bei dem gesagt wird, dass trans Menschen nicht existieren sollten, bis hin zu explizit mörderischen Äußerungen prominenter Kirchenführer:innen, Politiker:innen und Influencer:innen, dass alle queeren Menschen in einer Reihe aufgestellt und erschossen werden sollten.
Radikale reagieren darauf oft mit Schlagwörtern wie “bewaffnet Transfrauen” oder “Antifaschismus ist Selbstverteidigung.” Das stimmt, aber da wir in einer atomisierten, individualistischen Gesellschaft leben, legen diese Aufrufe die Verantwortung auf die Mitglieder unterdrückter Gruppen, die alleine kämpfen müssen. Wenn man einer trans Frau eine Pistole oder ein Messer gibt und ihr beibringt, damit umzugehen, verhindert man, dass sie getötet wird, wenn sie nachts nach Hause geht. Aber das ist nicht genug. Der Staat existiert und wird sie über das Rechtssystem bestrafen und wahrscheinlich feststellen, dass es keine Selbstverteidigung war. Selbst wenn sie nicht strafrechtlich verfolgt wird, wird die rechtsextreme Hassmaschine ihren Namen in die Welt setzen und hoffen, dass ein einsamer Wolf sie ermordern wird. Wenn es nicht so dramatisch ist, besteht die Angst vor Belästigung und Übergriffen auf der Straße oder in Clubs. Dass jemand gewalttätig reagieren könnte, wenn die Person erfährt, dass ihr Date bi oder trans ist. Und tausend andere kleinere Übergriffe.
Das Thema des diesjährigen ACSD ist Community als Mittel zur Verteidigung. Aber was bedeutet das?
Es bedeutet, dass es Unterstützungsnetzwerke geben muss, die tatsächliche Selbstverteidigung ermöglichen. Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass sie unterstützt werden, wenn sie handeln, insbesondere wenn sie radikal handeln.
Das bedeutet mehr als nur unpersönliche Strukturen. Es mag zwar Rechtsbeistand geben, aber es kann noch traumatisierender sein, wenn man wie ein Gegenstand am Fließband behandelt wird, der bearbeitet und dann vergessen wird. Oder das Zerbrechen der Solidarität, wenn niemand das Plenum verpassen oder die Veranstaltung, die das Kollektiv organisiert hat, absagen will, wenn etwas Dringenderes ansteht.
Es bedeutet, zu direkten Aktionen aufrufen zu können und schnelle Unterstützung zu bekommen, anstatt endlose Treffen, Solidaritätserklärungen und Streitereien über die Art der Aktion selbst.
Es bedeutet mehr als queere Raves und Soli-Partys. Wenn die große Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, spät in der Nacht und in maskenlosen Räumen stattfindet, dann schließt man große Teile der Menschen aus, für die diese Art von Veranstaltungen unzugänglich ist
Es geht darum, Räume zu schaffen, die keine Täter:innen, Sexist:innen, Vergewaltiger:innen und diejenigen beherbergen, die die Not der am meisten Ausgegrenzten herunterspielen. Packt diese Arschlöcher am Hals und schmeißt sie raus. Sie ruinieren die radikale Bewegung.
Wir haben keine radikale linke Commnity. Wir haben viele Cliquen, die eine Szene bilden. Wir sind inselartig und exklusiv. Wir sind Fremden gegenüber kalt und behandeln jedes neue Gesicht mit Paranoia.
Solange wir nicht einen Weg finden, freundlich und einladend zueinander zu sein, solange wir unsere eigene Bewegung nicht bereinigen können, werden wir nie die gemeinschaftlichen Bindungen haben, die notwendig sind, um uns und andere vor existenziellen Bedrohungen zu schützen. Dies ist ein Aufruf, über die hyper-militante Insurrecto-Mentalität hinaus zu sehen, die Kämpfe nur als Kampf gegen die Bullen auf Demos ansieht und jeden, der versucht, sich uns anzuschließen, mit Misstrauen von oben herab betrachtet.
Gemeinschaft beginnt mit Offenheit, Neugierde und Dialog. Es bedeutet, zu akzeptieren, dass die Art und Weise, wie die Dinge in Berlin immer gemacht wurden, kein Hinweis darauf ist, ob sie die beste Art und Weise sind oder jemals waren, sie zu machen. Findet in euren Kollektiven und Räumen die Zugangsbarrieren und reißt sie nieder. Werdet die Arschlöcher los.
Wenn die am stärksten Marginalisierten in der Gesellschaft in radikalen Kreisen immer noch marginalisiert und ausgeschlossen werden, haben wir keine Hoffnung, eine Bewegung aufzubauen, die die gegenwärtig bestehenden hegemonialen Strukturen herausfordern kann. Trans Menschen, Sexarbeiter:innen und Migrant:nnen ohne Papiere werden vom Staat und der extremen Rechten angegriffen, und sie brauchen die Unterstützung der Community, wenn sie überleben wollen. Ihre Freiheit ist unsere Freiheit, und wir müssen in unerschütterlicher Solidarität mit ihnen handeln.
Die abgefuckten, faschistischen Taten, die man in den USA, Großbritannien, Polen oder Ungarn sieht, kommen auch nach Deutschland. Wir haben jetzt Zeit, Widerstand gegen sie aufzubauen, solange wir eine relative und minimale Repression haben. Wir müssen jetzt damit anfangen.
Anstatt eine weitere Demo oder Kundgebung zu planen, sollten wir uns darauf konzentrieren, die Ausgegrenzten und Unterdrückten materiell zu unterstützen. Bewusstsein bringt uns nur so weit. Engagierteuch in direkten Aktionen und gegenseitiger Hilfe. Der gemeinsame Kampf, die Zusammenarbeit und die Kommunikation schaffen stärkere Verbindungen, als wenn wir zwischen einer weiteren akademischen Vorlesung hinter einem Lauti herlaufen und Musik hören.
Hier sind also eure Hausaufgaben. Findet bei eurem nächsten Treffen einen Weg, wie eure Crew offener und solidarischer sein kann. Nur eine. Nichts Großes, nur etwas Einfaches. Und handelt danach.
Wiederholt dies immer und immer wieder, bis die Community erblüht.
Queere Räumen in London
Wir sind die Friends of the Joiners Arms—eine queere Aktivist:innengruppe aus London. Wir kämpfen gegen die andauernden Schließungen von queeren Räumen in London!
Queere Räume sind fundamental wichtig für unser Wohlergehen. Es sind Räume, an die viele von uns Erinnerungen haben an ihren ersten Kuss, ans erste Mal Tanzen. Es können empowernde Räume sein, Orte, die Schutz bieten, die Selbstfindung ermöglichen. Räume, in denen Freundschaften und romantische Begegnungen entstehen. Räume, in denen eine radikale, queere Gemeinschaft wachsen kann—und linksradikale politische Organisation. Sie können auch sinnstiftende und erfüllende Arbeitsplätze ermöglichen—was auch eins der Ziele unserer Gruppe ist.
Seit 2005 wurden 58% aller queerer Räume in London geschlossen.
Diese Schließungen haben überdurchschnittlich diejenigen betroffen, die innerhalb der queeren Community am marginalisiertesten sind: also diejenigen, die finanziell schlecht dastehen und speziell Frauen, Transmenschen, BIPOC, und von der Gesellschaft behinderte Menschen—und erst recht diejenigen, die intersektionell betroffen sind.
In London—und auch in ganz Großbritannien—gibt es keinen einzigen queeren, nicht-kommerziellen, selbstorganisierten Veranstaltungsraum oder Kneipe. Diejenigen, die es mal gab, sind alle geschlossen oder kommerzialisiert worden.
Unsere Vision ist es, London’s einzigen selbstorganisierten queeren Pub zu eröffnen. Er wird sich nicht der Profitlogik unterwerfen und für alle frei zugängig sein. Ein radikaler und wirklich bahnbrechender Ansatz—zumindest für die britischen Verhältnisse heutzutage!
Unsere Gruppe, die Friends of the Joiners Arms, sind eine sogenannte Community Benefit Society. Das ist eine Art von nicht-kommerzieller Kooperative. Sie funktioniert auf demokratische Weise: von und für die Community. Alle, die Mitglied sind, haben gleiches Mitspracherecht bei allen Entscheidungsprozessen.
Uns gibt es bereits seit 7 Jahren und wir haben nun die organisatorischen Grundsteine gelegt und eine Location gefunden, wo der Pub eröffnet werden könnte. Aber wir brauchen noch circa £100.000, um die nötigen Renovierungsarbeiten durchführen zu können und dem Pub eine realistische finanzielle Basis für den Start zu geben.
Und jetzt kommen wir zu dem Punkt wo ihr uns unterstützen—und gleichzeitig Mitglied bei den Friends of the Joiners Arms werden könnt:
Wir würden uns total freuen, wenn ihr einen—oder auch mehrere Anteile von unserem potentiellen Pub kaufen würdet! Dadurch werdet ihr—egal wieviel ihr investiert—ein gleichwertiges Mitglied. Wenn wir £100.000 zusammenbringen, können wir uns unseren Traum eines radikalen queeren nicht-kommerziellen Pubs in London erfüllen!
Wir heißen euch auf jeden Fall alle schon mal herzlichst bei uns willkommen—vielleicht seid ihr ja mal in London! Dann könntet ihr vielleicht auch bei Les Majèste—unserer legendären Dragking Party vorbei schauen!
Ihr findet alle Informationen auf unserer Website—googlet einfach Friends of the Joiners Arms. Oder geht direkt zur Website auf friendsjoinersarms.com.
In Solidarität mit allen queeren Räumen weltweit!! Und natürlich in Solidarität mit dem anarchistischen CSD in Berlin!!
Long Live Queer Spaces!!
Freie Brüste für Alle
Liebe Menschen aller Gender! Wir sprechen nicht mehr als Gorilla Ladies—diese sind Teil von Gleiche Brust für Alle geworden. Im letzten Jahr hat sich vieles getan. Nachdem eine Non-Binary Person aus einem Freibad in Göttingen und eine Cis-Weibliche Person aus einem Wasserspielplatz in Berlin verwiesen wurden, hat sich ein bundesweites Bündnis etabliert.
Wir sind Gleiche Brust für Alle, eine intersektionale feministische Bewegung, die gegen die unfreiwillige Sexualisierung der Brust und für Gleichberechtigung kämpft. Alle Frauen, trans, inter, non-binary Personen & Co., Stillende, jung oder alt, mit oder ohne Oberteil, alle Menschen, die wegen ihrer Brust diskriminiert werden, sind bei uns willkommen. Wir willkommen auch solidarische.
(Cis-)Männer, die auf unserer Seite kämpfen möchten. Gleiche Brust für Alle möchte, dass bundesweit in Ergänzung zu Artikel 3 des Grundgesetzes sowie der lokalen Kleiderordnungen eine konkrete Regelung geschaffen wird, die eine explizite Erlaubnis beinhaltet, dass alle Personen unabhängig des Geschlechts sich gleichermaßen ohne Einschränkungen mit freiem Oberkörper bewegen dürfen. Menschen, die sich keinem Geschlecht eindeutig zuordnen, werden durch die Ungleichbehandlung der Geschlechter dazu gezwungen, sich der Norm zu unterwerfen, die für das Geschlecht, als welches sie gelesen werden, gilt.
Niemand darf gezwungen werden, sich binär zu gendern! Darüber hinaus werden weiblich gelesene Nippel auf Facebook, Instagram & co. zensiert, männlich gelesene aber nicht! Daher fordern wir die Abschaffung von diskriminierenden und verfassungswidrigen Polizeikontrollen auf Grundlage der §183a StGB und §118 OWiG. Ein nackter Oberkörper an sich erregt kein öffentliches Ärgernis und stellt keine Belästigung der Allgemeinheit dar.
Die Stadt München hat für Badebereiche bereits eine Regelung geschaffen, welche als Beispiel herangezogen werden könnte. Laut München.de gilt: “ Die Badebekleidung im Sinne dieser Satzung muss aber lediglich die ‘primären Geschlechtsorgane’ vollständig bedecken. Eine Badehose reicht somit auch für Frauen aus. Weder Männer noch Frauen müssen Oberteile tragen! ”
Diese Regelung geht uns noch nicht weit genug: darüber hinaus fordern wir, dass an jeglicher Stelle, an der geduldet wird, dass Menschen mit flacher Brust unbedeckt sind, zum Beispiel auf Baustellen, in kommerziellen und städtischen Einrichtungen, in Schwimmhallen, an Wasserspielplätzen wie der Plansche, in Parkanlagen, auf öffentlichen Straßen, im öffentlichen Nahverkehr, im Internet sowie im gesamten öffentlichen Raum, Menschen aller Gender, auch jene mit runder, als “weiblich” gelesener Brust, genau denselben Bekleidungsvorschriften unterliegen wie Menschen mit flacher, als “männlich” gelesener Brust. Hausrechte, die unterschiedliche Regelungen für Menschen mit runder und flacher Brust vorsehen, dürfen nicht zugelassen werden.
Für Verstöße gegen oben beschriebene neue Regelung fordern wir die Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) oder des Landes-Antidiskriminierungsgesetzes (LADG) wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. In Bundesländern, in denen es ein solches Gesetz wie das LADG noch nicht gibt, fordern wir die Einführung eines solchen. Zur Anpassung der öffentlichen Wahrnehmung fordern wir bundesweite Programme zur Desexualisierung von Brüsten, darunter das Verbot von sexistischer Werbung, verpflichtende Bildungsprogramme zum Beispiel an Schulen und in der Erwachsenenbildung. Die Sexualisierung der jungen weiblich gelesenen Brust ist für viele Kinder oft die erste Erfahrung mit ihrer Objektivierung. Häufig legt dies den Grundstein für ein zwiegespaltenes, schamvolles Verhältnis zum eigenen Körper.
Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass zukünftige Generationen diese Erfahrung gar nicht erst machen müssen! Zusammen werden wir dafür sorgen, dass alle Brüste gleich behandelt werden, zusammen werden wir oben mit oder ohne kämpfen, zusammen werden wir das Patriarchat abnippeln!
Krieg in der Ukraine
Ich kam am 2. März aus Cherson in Berlin an. Meine Stadt wurde am 24. Februar besetzt und steht bis heute unter Besatzung.
Ich möchte euch ein wenig über meine Stadt erzählen. Vor etwa hundert Jahren—von 1918 bis 1921—war Cherson Teil des Freien Territoriums oder der so genannten Huliaipolschtschyna—eines anarchistischen Nichtstaates, der während des Bürgerkriegs entstand. Seine Existenz ist eng mit dem Namen des ukrainischen Anarchisten Nestor Makhno verbunden. Vielleicht habt ihr schon von ihm gehört.
Damals herrschte im Russischen Reich Krieg zwischen mehreren Parteien: der bolschewistischen Roten Armee, der monarchistischen Weißen Armee und der Armee der Bauernrebellenbewegung, der anarchistischen Makhno-Bewegung, die sich erfolgreich gegen die ersten beiden wehrte. Bis sie sich den Bolschewiki anschloss. Erst als die Bolschewiki sie verrieten, wurde die Rebellenarmee besiegt, und der anarchistische Nicht-Staat hörte auf zu existieren.
Doch drei Jahre lang existierte das Gebiet ohne Macht. Mit einer Armee von Bauer:innen, die sofort den Pflug an den Nagel hängten, zu den Waffen griffen und loszogen, um ihre Häuser und ihre Freiheit vor jeder Autorität zu verteidigen. Sie lösten die Gefängnisse auf, gründeten freie Bauerngemeinden und schufen sogar ihr eigenes Geld—ein Scheingeld, das keinen festen Wert hatte und auf das man eine beliebige Zahl schreiben konnte.
Anarchistische Theoretiker:innen kritisierten die Makhnowschtschina aus mehreren Gründen, u. a. weil sie einen Anführer hatte (auch wenn seine Führung informell war und auf seiner persönlichen Autorität beruhte) und weil sie militaristisch war. Aber konnten die Freien Gebiete ohne den bewaffneten Widerstand derjenigen, die dort ihre Autorität etablieren wollten, überhaupt lange überleben?
Auch heute noch ist Cherson eine Stadt von freiheitsliebenden Menschen. Und Menschen, die Vielfalt respektieren. In anderen Städten der Ukraine wurden regelmäßig Pride- und LGBT-Märsche angegriffen. Aber Cherson hat seit sieben Jahren in Folge die sichersten Pride-Veranstaltungen in der Ukraine: das Queer Forum und der Queer March. Natürlich gab und gibt es Homophobe in der Stadt. Aber es gab keine einzige organisierte rechtsextreme Gruppe, deren Mitglieder bereit waren, auf andere Chersoner:innen loszugehen und sie zu verprügeln.
Nach der Besetzung leisteten die Chersoner:innen Widerstand, so gut sie konnten. In der ersten Nacht starben mehrere Dutzend Menschen. Sie stellten sich mit Molotowcocktails bewaffnet den Panzern entgegen. Während des ersten Monats der Besatzung versammelten sich täglich mehrere Tausend Menschen auf dem zentralen Platz. Nach jeder Kundgebung wurden einige der aktivsten Teilnehmer abgeführt. Einige wurden später wieder freigelassen. Sie haben über Folterungen berichtet. Andere werden immer noch vermisst.
Die Besetzer:innen haben versucht, die Anführer:innen der Protestbewegung herauszufinden. Aber es gab keine…
Deshalb haben sie einfach angefangen, auf die Leute zu schießen und sie mit Tränengas zu vertreiben.
Der Widerstand ist zu einer Guerillabewegung geworden. Ab und zu höre ich, dass Autos von Besetzer:innen in die Luft gesprengt werden, dass Flugblätter in der Stadt verteilt werden.
Aber all diese Menschen sind meist unbewaffnet. Deshalb höre ich häufiger von den Vermissten, den Gefolterten, den Getöteten. Meist handelt es sich um Aktivist:innen. LGBT-Aktivist:innen, linke Aktivist:innen und andere. Es hat keine offizielle Evakuierung oder grüne Korridore aus Cherson gegeben. Die Aktivist:innen, die nicht gehen konnten, wohnen also nicht zu Hause. Und einige gehen aus Angst vor Patrouillen überhaupt nicht mehr aus dem Haus. Eine Patrouille kann deine Papiere überprüfen, dich direkt auf der Straße ausziehen und nach “verdächtigen Tätowierungen” suchen. Was passiert, wenn die Geschlechtsmarkierung in dem Pass nicht mit dem eigenen Geschlechtsausdruck übereinstimmt? Oder wenn man ein Mann ist und Narben auf der Brust hat, die von einer Mastektomie stammen? Oder wenn die Tätowierungen etwas über dich aussagen, das ihnen nicht gefällt? Oder wenn man auf ihrer Liste der unerwünschten Personen steht? Diejenigen, die sie entlassen haben, berichten, dass sie gefoltert wurden. Andere sagen nichts.
Jetzt sagen die Besatzer:innen, dass die Bewohner:innen der besetzten Städte “gefiltert” werden müssen. Was geschieht mit denen, die durch dieses Filter nicht schaffen?
Warum erzähle ich das alles? Ich stoße manchmal auf diese Meinung: “Warum geben die ukrainischen Behörden nicht einfach einige Gebiete an Russland ab? Um das Leben der Menschen zu retten?” Aber schließlich geht es beim Leben der Menschen nicht nur darum, zu atmen und einen Herzschlag zu haben. Es geht um Subjektivität!
Es gibt Menschen, die auf diesem Land leben. Und die können nicht einfach einem Diktator zum Fraß vorgeworfen werden. Seit dem Freien Territorium hat sich viel verändert: Die Waffen sind tödlicher und zerstörerischer geworden. Menschen, die mit Molotowcocktails und selbstgebastelten Bomben bewaffnet sind, können sich nicht mehr gegen eine Armee wehren. Sie können nur noch bei dem Versuch sterben, ihre Handlungsfähigkeit zu bewahren.
Ich bin queere Anarcho-Feministin und Antimilitaristin. Es fühlt sich für mich seltsam an, den Staat zu unterstützen und eine bessere Bewaffnung des Staates zu fordern. Aber das ist genau das, was ich jetzt tue. Ich fordere Waffen für die ukrainische Armee. Damit meine Freund:innen weiterhin den Neoliberalismus kritisieren können und nicht in den Gefängnissen des Diktators zu Tode gefoltert werden.
Vermieterismus in Berlin
Hallo! Wir sind—wörtlich gesprochen—Queers gegen Vermieter:innen.
Lasst uns straight (Wortspiel beabsichtigt) auf den Punkt kommen. Wir sind gegen Vermieter:innen.
Aber wir wollen ganz schnell etwas klarstellen:
DIE VERMIETER:innen HABEN DAMIT ANGEFANGEN!
Sie haben damit angefangen: indem sie nicht an uns vermietet haben, weil wir nicht wie die Art von Familie aussehen, die siein ihren Wohnungen wollen. Sie haben damit angefangen: indem sie uns Tonnen von Papier abforderten, darunter auch einige mit unseren deadnames darauf, bevor wir ein Dach über dem Kopf hatten. Sie haben damit angefangen: indem sie die Mieten erhöht und erhöht haben, was uns zwingt in unsicheren Vierteln, unsicheren Häuser oder unsicheren Familien zu bleiben. Sie haben damit angefangen: indem sie unsere Freund:innen, unsere Wohngemeinschaften, unsere Bars, unsere Hausprojekte vertrieben haben.
Natürlich betrifft das alles nicht nur LGBTQ+ Menschen. Aber queere Lebensformen sind ein starkes Gegenmodell. Gegenseitige Fürsorge, gewählte Familie, Selbstbestimmung: Das alles ist nicht kompatibel mit der Existenz eines Wohnungsmarktes, mit der Existenz von Vermieter:innen.
Vermieter:innen profitieren von dem Ruf eines sexy Berlins: Dieser Ruf ist vor allem das Ergebnis der Bemühungen von queeren Menschen—denkt an das Berghain, das so viele Tourist:innen anzieht, obwohl sie an der Tür abgewiesen werden! Die Vermieter:innen leben und profitieren also von unserem Rücken, von unserem Schweiß, von unseren Gehältern und AUCH von unserem Hype. Aber wir hätten nie einen Raum in dieser Stadt, wenn es nach den Vermieter:innen gegangen wäre. Den Raum, den wir haben, haben wir selbst genommen!
Wir befinden uns inmitten mehrerer schwerer Krisen. Eine Miet- und Wohnungskrise. Inflation. Kriege. Eine Energiekrise. Eine Krise im Gesundheitswesen. Wir brauchen einander, und offen gesagt, die Welt braucht unsere radikalste Queerness jetzt mehr denn je. Und dabei geht es NICHT um Identität. Es geht darum, das Hetero-Cis-Patriarchat, den kolonialistisch-rassistischen Kapitalismus als hierarchische Machtstruktur zu zerstören. Das bedeutet: Alle sind eingeladen! Eingeladen, sich solidarischen Netzwerken anzuschließen, eingeladen, Fürsorge und Zusammenleben jenseits der nuklearen Kleinfamilie und zugewiesener Geschlechterrollen zu praktizieren, eingeladen in unsere Do-It-Yourself-Häuser und Kieze. Eingeladen, dafür zu sorgen, dass wir alle ein sicheres, selbstgewähltes und schönes Zuhause haben.
Wir haben in den letzten Jahren wichtige Orte für uns verloren—Liebig 34, den Wagenplatz am Køpi und die unzähligen anonymen Wohnungen, die wir verlassen mussten. Aber der Kampf geht in weiteren Häusern weiter. Es geht weiter in der Habersaathstr. 40-48, wo Menschen, darunter auch queere Menschen, im letzten Winter das Do-It-Yourself Housing auf eine neue Ebene gebracht haben. Es geht weiter in H48, wo ich wohne, und wo wir seit 2 Jahren darum kämpfen, unsere Wohnungen zu behalten. Es läuft in der Rigaerstr. Sie findet in der Linie 206 statt. Verdrängung läuft an so vielen Orten, dass wir sie nicht zählen können. Vielleicht läuft es auch in deiner Straße. Wir müssen noch stärker werden. Also: Wenn Ihr es noch nicht getan habt, besucht eure Kiezversammlung! Informiert euch über die Arbeit von Zwangsräumung Verhindern! Werdet ihr Mitglied in einem Mieterverein und in der Mietergewerkschaft! Sprecht mit euren Nachbar:innen!
Lasst uns unsere Stadt bewahren! Lasst uns die Stadt queerer machen!
Danke, dass wir dabei sein können!